Schlaraffia


SCHLARAFFIA ® – Nova Orleana 293


Schlaraffia

Dieser Schild zeigt:

  • Eine Eule (Uhu) – naturlich, das Schlaraffia-Maskottchen
  • Mississippi Dampfschiff – immer noch da.
  • Pelikan – Der fliegt umher in die Staat (Louisiana).
  • Weiß-Hellblau — das sind die Bayerischen Farben – wer weiß warum.
  • In die Mitte ein Narr mit ein Kelch. – 

Treffen jeden Donnerstag im Deutsches Haus.
New Orleans — um 20 Uhr.

Weisheit und Humor, zusammen.

Aufklärung


Les‘ mal durch!

Was ist Aufklärung?
Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.

Immanuel Kant, 1784

Ganze
 

 

IMMANUEL KANT

Was ist Aufklärung?

 

AUFKLÄRUNG ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstver- schuldeten Unmündigkeit.
Unmündigkeit
ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbst- verschuldet ist diese
Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht
am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung
eines andern zu bedienen.
Sa- pere aude! Habe Mut, dich deines eigenen
Verstandes zu bedienen!
ist also der Wahlspruch
der Aufklärung.

Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur
längst von fremder Leitung freigesprochen (naturaliter maiorennes), dennoch gerne zeitlebens
unmündig bleiben; und warum es anderen so leicht wird,
sich zu de- ren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein. Habe
ich ein Buch, das für mich
Verstand hat, einen Seelsorger, der
für mich Gewissen hat, einen Arzt, der für mich die Diät beurteilt usw., so brauche ich mich ja nicht selbst
zu bemühen. Ich habe nicht nötig zu denken, wenn ich nur
bezahlen kann; andere werden das verdrießliche Geschäft schon für mich
übernehmen. Daß der bei weitem größte Teil der Menschen (darunter das ganze schöne Ge-
schlecht) den Schritt zur Mündigkeit, außer dem daß er beschwerlich
ist, auch für sehr gefährlich
halte: dafür sorgen schon jene
Vormün-
der, die die Oberaufsicht über sie
gütigst auf sich genommen haben.
Nachdem sie ihr Hausvieh zuerst dumm gemacht
haben und sorgfäl-
tig verhüteten, daß diese ruhigen Geschöpfe ja keinen Schritt außer dem Gängelwagen, darin sie sie einsperreten, wagen durften, so zei- gen sie ihnen nachher die Gefahr, die ihnen drohet, wenn sie es ver-
suchen, allein zu gehen. Nun ist diese Gefahr zwar eben so groß nicht, denn sie
würden durch einigemal Fallen wohl endlich gehen lernen; allein ein Beispiel
von der Art macht doch schüchtern
und schreckt gemeiniglich von allen ferneren
Versuchen ab.

Es ist also für jeden einzelnen
Menschen schwer, sich aus der ihm
beinahe zur Natur gewordenen Unmündigkeit herauszuarbeiten. Er hat sie sogar
lieb gewonnen und ist vorderhand wirklich unfähig, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, weil man ihn niemals
den Versuch davon machen ließ. Satzungen und Formeln, diese me-
chanischen Werkzeuge eines vernünftigen Gebrauchs
oder vielmehr Mißbrauchs
seiner Naturgaben, sind die
Fußschellen einer immer- währenden Unmündigkeit.
Wer
sie auch abwürfe,
würde dennoch auch über den schmalesten Graben einen nur unsicheren Sprung
tun, weil er zu dergleichen
freier Bewegung nicht
gewöhnt ist. Daher
gibt

Immanuel Kant – 1724 bis

1804, Philosoph in Königs-
berg. Wir veröffentlichen

den Text nach dem Original.
Er erschien zuerst unter

dem Titel: »Beantwortung der Frage: Was ist Auf-
klärung?« in: »Berlinische Monatsschrift«, Dezember– Heft
1784, S. 481-494.

Die Frage Was ist Aufklärung? »stammt ursprünglich von dem Berliner Theologen und Mitglied der Berliner
Mittwochsgesellschaft

J. F. Zöllner (1753–1804). Im Dezember 1783 schrieb er in der Berlinischen Mo- natsschrift den Artikel ›Ist
es ratsam, das Ehebündnis nicht ferner durch die Religion zu sanzieren?‹ Er
nahm damit Stellung zu einem Plädoyer
für die Zivilehe, das – unter

Pseudonym – im September

1783 am selben Ort er- schienen war. Zöllner kon-
statierte einen allgemeinen Niedergang der Sitten, verursacht durch die ›herr-
schende Denkungsart‹ des Zeitalters, nämlich ›unter dem Namen der
Aufklärung die Köpfe und Herzen der Menschen zu verwirren‹. In
einer Anmerkung zu seinem
Artikel (auf die sich Kants Seitenverweis bezieht) gibt Zöllner nun das folgen- schwere Stichwort ›Was

ist Aufklärung?‹. Damit hatte
der Diskurs ein Problem geboren und darüber hinaus
eine ganze Epoche mit Diskussionsstoff gefüllt.«
Immanuel Kant: Von den Träumen der Vernunft.

Kleine Schriften zur Kunst,
Philosophie, Geschichte und Politik, hrsg. von Steffen und Birgit Dietzsch,
Leipzig und Weimar 1979, S.
574 f.

es nur wenige, denen es gelungen ist, durch eigene
Bearbeitung ih- res Geistes sich aus der Unmündigkeit heraus zu wickeln und
den- noch einen sicheren
Gang zu tun.

Daß aber ein Publikum sich selbst
aufkläre, ist eher möglich; ja es ist, wenn man ihm nur Freiheit läßt,
beinahe unausbleiblich. Denn da
werden sich immer einige Selbstdenkende, sogar unter den einge- setzten Vormündern des großen Haufens
nden, welche, nachdem sie das Joch der Unmündigkeit
selbst abgeworfen haben, den Geist einer vernünftigen Schätzung
des eigenen Werts und des Berufs je- des Menschen, selbst zu denken, um sich
verbreiten werden. Beson- ders ist hiebei: daß das Publikum, welches zuvor von
ihnen unter dieses Joch gebracht worden, sie hernach selbst zwingt, darunter zu
bleiben, wenn es von einigen seiner Vormünder,
die selbst aller Auf- klärung
unfähig sind, dazu aufgewiegelt worden; so schädlich ist es, Vorurteile zu p
anzen, weil sie sich zuletzt an
denen selbst rächen, die oder deren Vorgänger ihre Urheber gewesen
sind. Daher kann ein
Publikum nur langsam zur Aufklärung gelangen.
Durch eine Revo- lution wird vielleicht wohl ein
Abfall von persönlichem Despotism und gewinnsüchtiger oder
herrschsüchtiger Bedrückung, aber nie- mals wahre Reform der Denkungsart
zustande kommen; sondern neue Vorurteile werden, ebensowohl als die alten,
zum Leitbande des gedankenlosen großen Haufens dienen.

Zu
dieser Aufklärung aber wird nichts erfordert
als Freiheit; und zwar
die unschädlichste unter allem, was nur Freiheit heißen mag, nämlich die: von seiner Vernunft in allen Stücken öffentlichen
Gebrauch
zu machen. Nun höre ich aber von allen Seiten rufen: räsonniert
nicht!
Der Of
zier sagt: räsonniert nicht, sondern
exer- ziert! Der Finanzrat: räsonniert nicht, sondern bezahlt! Der Geistli- che: räsonniert nicht, sondern
glaubt! (Nur ein einziger Herr in der Welt sagt: räsonniert, soviel ihr wollt und worüber
ihr wollt, aber gehorcht!) Hier ist überall Einschränkung der Freiheit. Welche Ein-
schränkung aber ist der
Aufklärung hinderlich, welche nicht, son-
dern ihr wohl gar beförderlich? – Ich antworte:
Der öffentliche Ge- brauch seiner
Vernunft muß jederzeit frei sein, und der allein kann
Aufklärung unter Menschen zustande bringen; der Privatgebrauch derselben
aber darf öfters sehr enge eingeschränkt sein, ohne doch darum den Fortschritt der Aufklärung sonderlich zu hindern. Ich ver-
stehe aber unter dem öffentlichen Gebrauche
seiner eigenen Ver- nunft denjenigen, den jemand als Gelehrter
von ihr vor dem ganzen Publikum der Leserwelt macht. Den
Privatgebrauch nenne ich den- jenigen, den er in einem gewissen ihm anvertrauten
rgerlichen Posten oder
Amte von seiner Vernunft
machen darf. Nun ist zu man-
chen Geschäften, die in das Interesse des gemeinen
Wesens laufen, ein gewisser Mechanism notwendig, vermittelst dessen
einige Glie- der des gemeinen
Wesens sich bloß passiv verhalten müssen,
um durch eine künstliche Einhelligkeit von der Regierung zu öffentli-
chen Zwecken gerichtet oder wenigstens von der Zerstörung dieser Zwecke abgehalten zu werden. Hier ist
es nun freilich nicht erlaubt zu
räsonnieren; sondern man muß gehorchen. Sofern sich aber die- ser Teil der Maschine zugleich als Glied eines ganzen gemeinen Wesens, ja sogar der Weltbürgergesellschaft ansieht,
mithin in der Qualität eines Gelehrten, der sich an ein Publikum
im eigentlichen
Verstande durch Schriften wendet, kann er allerdings
räsonnieren, ohne daß dadurch die Geschäfte leiden,
zu denen er zum
Teile als passives Glied angesetzt
ist. So würde es sehr verderblich sein, wenn
ein Of
zier, dem
von seinen Oberen etwas anbefohlen wird, im Dienste
über die Zweckmäßigkeit oder Nützlichkeit dieses Befehls laut vernünfteln wollte; er muß gehorchen. Es kann ihm aber
billi- germaßen nicht verwehrt
werden, als Gelehrter über die Fehler im
Kriegesdienste Anmerkungen zu machen und diese seinem Publi- kum zur Beurteilung vorzulegen. Der
rger kann sich nicht wei- gern, die ihm auferlegten Abgaben zu leisten; sogar kann ein vor-
witziger Tadel solcher Au
agen, wenn sie von ihm geleistet werden
sollen, als ein Skandal (das allgemeine
Widersetzlichkeiten veran-
lassen könnte) bestraft werden. Ebenderselbe
handelt demohnge- achtet der P
icht eines Bürgers
nicht entgegen, wenn er als Gelehr- ter wider die Unschicklichkeit oder auch
Ungerechtigkeit solcher
Ausschreibungen öffentlich seine
Gedanken äußert. Ebenso ist ein Geistlicher verbunden, seinen
Katechismusschülern und seiner Ge
meine nach dem Symbol der Kirche, der er dient, seinen
Vortrag zu tun, denn er ist auf diese Bedingung
angenommen worden. Aber als
Gelehrter hat er volle Freiheit,
ja sogar den Beruf dazu, alle
seine sorgfältig geprüften und wohlmeinenden Gedanken
über das Fehler- hafte in jenem Symbol und
Vorschläge wegen besserer Einrichtung des Religions- und Kirchenwesens dem Publikum mitzuteilen. Es ist hiebei auch nichts, was dem Gewissen
zur Last gelegt werden könnte. Denn was er zufolge
seines Amts als Geschäftträger der Kir-
che lehrt, das stellt er als etwas
vor, in Ansehung dessen
er nicht freie Gewalt hat, nach eigenem
Gutdünken zu lehren,
sondern das er nach
Vorschrift und im Namen eines andern
vorzutragen angestellt ist. Er wird sagen: unsere Kirche lehrt dieses oder
jenes; das sind die Be- weisgründe, deren sie sich bedient. Er zieht alsdann
allen prakti- schen Nutzen für seine
Gemeinde aus Satzungen, die er selbst nicht
mit voller Überzeugung unterschreiben würde, zu deren Vortrag er
sich gleichwohl anheischig machen kann, weil es doch nicht ganz unmöglich ist, daß darin Wahrheit
verborgen läge, auf alle Fälle aber wenigstens doch nichts der innern Religion Widersprechendes darin angetroffen wird. Denn glaubte er das letztere darin zu
nden, so würde er sein
Amt mit Gewissen nicht verwalten
können; er müßte es
niederlegen. Der Gebrauch also, den ein angestellter Lehrer von seiner Vernunft vor seiner Gemeinde macht, ist bloß ein Privatge-
brauch
, weil diese immer nur eine häusliche, obzwar noch so große Versammlung ist; und in Ansehung dessen ist er als Priester
nicht frei und darf es auch nicht sein, weil er einen fremden Auftrag
aus- richtet. Dagegen als Gelehrter,
der durch Schriften zum eigentlichen
Publikum, nämlich der Welt spricht, mithin der Geistliche im öffent- lichen Gebrauche seiner Vernunft,
genießt einer uneingeschränkten Freiheit, sich seiner eigenen Vernunft zu bedienen und in seiner ei-
genen Person zu sprechen. Denn daß die Vormünder des Volks (in geistlichen Dingen) selbst wieder
unmündig sein sollen,
ist eine Un- gereimtheit, die auf Verewigung der Ungereimtheiten hinausläuft.

Aber sollte nicht eine Gesellschaft von Geistlichen, etwa eine Kir- chenversammlung oder eine ehrwürdige
Classis (wie sie sich unter den Holländern
selbst nennt) berechtigt
sein, sich eidlich unterein-ander auf ein gewisses unveränderliches Symbol zu verp
ichten, um
so eine unaufhörliche Obervormundschaft über jedes ihrer Glieder und vermittelst ihrer über das Volk zu führen und diese so gar zu ver- ewigen? Ich sage: das ist ganz
unmöglich. Ein solcher Kontrakt, der auf immer alle weitere Aufklärung vom Menschengeschlechte abzu- halten geschlossen würde, ist
schlechterdings null und nichtig; und sollte er auch durch die oberste Gewalt,
durch Reichstage und die
feierlichsten Friedensschlüsse bestätigt sein. Ein Zeitalter kann sich nicht
verbünden und darauf verschwören, das folgende in einen Zu- stand zu setzen,
darin es ihm unmöglich werden muß, seine (vor- nehmlich so sehr
angelegentliche) Erkenntnisse zu erweitern, von
Irrtümern zu reinigen und überhaupt
in der Aufklärung weiterzu- schreiten. Das wäre ein Verbrechen wider die menschliche Natur, de- ren ursprüngliche Bestimmung gerade in
diesem Fortschreiten be- steht; und die Nachkommen sind also vollkommen dazu
berechtigt, jene Beschlüsse, als unbefugter und frevelhafter
Weise genommen, zu verwerfen.
Der Probierstein alles dessen, was über ein Volk als Gesetz beschlossen werden kann,
liegt in der Frage: ob ein Volk sich selbst wohl ein solches Gesetz
auferlegen könnte? Nun wäre dieses
wohl, gleichsam in der Erwartung eines bessern, auf eine bestimmte kurze Zeit möglich, um eine gewisse
Ordnung einzuführen; indem man es zugleich jedem der Bürger, vornehmlich dem
Geistlichen, frei ließe, in
der Qualität
eines Gelehrten öffentlich, d.
i. durch
Schriften, über das Fehlerhafte der dermaligen Einrichtung seine Anmerkungen zu machen, indessen die
eingeführte Ordnung noch immer fortdauerte, bis die Einsicht in die Beschaffenheit dieser Sa- chen öffentlich so weit gekommen und bewähret
worden, daß sie durch Vereinigung ihrer Stimmen (wenngleich nicht aller) einen Vorschlag vor den Thron bringen könnte,
um diejenigen Gemeinden in Schutz zu nehmen, die sich
etwa nach ihren Begriffen der besse-
ren Einsicht zu einer veränderten Religionseinrichtung geeinigt hät- ten, ohne
doch diejenigen zu hindern, die es beim alten wollten be- wenden lassen.
Aber auf eine beharrliche, von niemanden öffentlich zu bezweifelnde Religionsverfassung
auch nur binnen der Lebens- dauer eines Menschen sich zu einigen, und dadurch
einen Zeitraum in dem Fortgange der Menschheit zur Verbesserung gleichsam
zu vernichten und fruchtlos, dadurch aber wohl gar der Nachkommen- schaft nachteilig
zu machen,
ist schlechterdings
unerlaubt. Ein Mensch kann zwar für seine Person und auch alsdann nur auf
einige Zeit in dem, was ihm zu wissen obliegt, die Aufklärung aufschieben;
aber auf sie Verzicht zu tun, es sei für seine Person, mehr aber noch
für die Nachkommenschaft, heißt die heiligen Rechte der Mensch- heit verletzen
und mit Füßen treten. Was aber nicht einmal ein
Volk über sich selbst beschließen
darf, das darf noch weniger ein Mon-
arch über das Volk beschließen; denn sein gesetzgebendes Ansehen beruht eben darauf, daß er den gesamten Volkswillen in dem sei- nigen
vereinigt. Wenn er nur darauf sieht, daß alle wahre oder ver- meinte Verbesserung mit der bürgerlichen
Ordnung zusammenbe- stehe, so
kann er
seine Untertanen übrigens nur selbst
machen lassen, was sie um ihres
Seelenheils willen zu tun nötig
nden; das geht ihn nichts
an, wohl aber zu verhüten, daß nicht einer
den andern gewalttätig hindere, an der Bestimmung und Beförderung desselben nach allem seinen
Vermögen zu arbeiten. Es tut selbst seiner Maje- stät Abbruch, wenn er sich hierin mischt,
indem er die Schriften,
wodurch seine Untertanen ihre Einsichten ins reine zu bringen su- chen,
seiner Regierungsaufsicht würdigt,
sowohl wenn er dieses
aus eigener höchsten Einsicht
tut, wo er sich dem Vorwurfe aussetzt:
Caesar non est supra grammaticos, als auch und noch weit mehr, wenn
er seine
oberste Gewalt so weit erniedrigt,
den geistlichen
Despotis
m einiger Tyrannen in seinem Staate gegen seine übrigen Untertanen zu unterstützen.

Wenn denn nun gefragt wird: leben wir jetzt in einem
aufgeklär- ten Zeitalter? so ist die Antwort: Nein, aber wohl in einem Zeitalter der Aufklärung. Daß die
Menschen, wie die Sachen jetzt stehen, im ganzen genommen, schon imstande wären
oder darin auch nur ge- setzt werden könnten, in Religionsdingen sich ihres eigenen Ver-
standes ohne Leitung eines andern
sicher und gut zu bedienen, daran fehlt noch sehr viel.
Allein, daß jetzt ihnen doch das Feld geöffnet wird, sich dahin frei zu bearbeiten
und die Hindernisse der allge-
meinen Aufklärung oder des Ausganges aus ihrer selbstverschulde- ten Unmündigkeit allmählich weniger
werden, davon haben wir doch deutliche Anzeigen. In diesem Betracht ist dieses Zeitalter das
Zeitalter der Aufklärung oder das Jahrhundert Friedrichs.

Ein Fürst, der es seiner nicht
unwürdig
ndet zu sagen, daß er es für Picht halte, in Religionsdingen den Menschen nichts vorzu- schreiben, sondern
ihnen darin volle Freiheit zu lassen, der also
selbst den hochmütigen Namen der Toleranz von
sich ablehnt: ist selbst aufgeklärt und verdient
von der dankbaren Welt und Nachwelt
als derjenige gepriesen zu werden, der zuerst das menschliche Ge- schlecht der Unmündigkeit, wenigstens
von Seiten der Regierung, entschlug und jedem frei ließ, sich in allem, was
Gewissensangele- genheit ist, seiner eigenen Vernunft zu bedienen. Unter ihm dürfen verehrungswürdige Geistliche, unbeschadet ihrer
Amtsp
icht, ihre vom angenommenen Symbol
hier oder da abweichenden Urteile
und Einsichten in der Qualität der Gelehrten frei und öffentlich der
Welt zur Prüfung darlegen; noch mehr
aber jeder andere, der durch keine
Amtsp
icht eingeschränkt ist. Dieser Geist der Freiheit breitet sich auch
außerhalb aus, selbst da, wo er mit äußeren Hindernissen einer sich selbst mißverstehenden Regierung zu ringen hat. Denn es leuch- tet dieser doch ein Beispiel vor, daß bei Freiheit für die öffentliche Ruhe und Einigkeit des gemeinen Wesens nicht das mindeste zu be- sorgen sei. Die Menschen
arbeiten sich von selbst nach und nach aus
der Rohigkeit heraus, wenn man nur nicht absichtlich künstelt, um sie darin zu erhalten.

Ich
habe den Hauptpunkt der Aufklärung, die des Ausganges der Menschen aus ihrer
selbstverschuldeten Unmündigkeit, vorzüglich in Religionssachen gesetzt, weil in
Ansehung der Künste und Wis-
senschaften unsere Beherrscher kein Interesse haben, den
Vormund über ihre Untertanen zu spielen, überdem auch jene
Unmündigkeit, so wie die
schädlichste, also auch die entehrendste unter allen ist. Aber die Denkungsart eines
Staatsoberhaupts, der die erstere begün-
stigt, geht noch weiter und sieht ein: daß selbst in
Ansehung seiner Gesetzgebung es ohne Gefahr sei, seinen Untertanen zu erlauben, von ihrer eigenen Vernunft öffentlichen Gebrauch zu machen und

  In den Büschingschen wöchentlichen Nachrichten vom 13. Sept. lese ich heute
den 30. ebendess.die Anzeige der Berlinischen
Monatsschrift von diesem Monat, worin des Herrn
Mendelssohn Beantwortung ebenderselben Frage ange-
führt wird. Mir ist sie noch nicht zu Händen gekom- men; sonst würde sie die gegenwärtige zurückgehal- ten haben,
die jetzt nur zum Versuche
dastehen mag, wiefern der Zufall Einstim-
migkeit der Gedanken zu- wege bringen könne.

ihre Gedanken über eine bessere
Abfassung derselben, sogar mit ei- ner
freimütigen Kritik der schon gegebenen, der Welt öffentlich
vor- zulegen; davon wir ein glänzendes Beispiel haben, wodurch noch kein Monarch
demjenigen vorging, welchen wir verehren.

Aber auch nur derjenige, der, selbst aufgeklärt, sich nicht vor
Schatten fürchtet, zugleich aber ein wohldiszipliniertes zahlreiches Heer zum Bürgen der öffentlichen Ruhe zur Hand hat, – kann das sa-
gen, was ein Freistaat nicht
wagen darf: räsonniert, so viel ihr wollt,
und worüber ihr wollt; nur gehorcht!
So zeigt sich hier ein be- fremdlicher, nicht erwarteter Gang menschlicher Dinge; so wie auch sonst, wenn man ihn im großen betrachtet, darin fast alles paradox ist. Ein größerer Grad bürgerlicher Freiheit scheint der Freiheit
des Geistes des Volks vorteilhaft und setzt ihr doch unübersteigliche Schranken; ein Grad
weniger von jener verschafft hingegen
diesem Raum, sich nach allem seinen
Vermögen auszubreiten. Wenn denn die Natur unter dieser harten Hülle
den Keim, für den sie am zärt-
lichsten sorgt, nämlich den Hang und Beruf zum freien Denken, aus- gewickelt hat: so wirkt dieser
allmählich zurück auf die Sinnesart
des Volks (wodurch dieses der Freiheit zu handeln nach und nach
fähiger wird), und endlich auch sogar auf die Grundsätze der Regie- rung, die es ihr selbst zuträglich
ndet, den Menschen,
der nun mehr als Maschine ist,
seiner Würde gemäß zu behandeln.
1

 

Königsberg in Preußen,
den 30. September 1784