„ Wann werdet ihr, Poeten ,
Des Dichtens einmal müd‘?
Wann wird einst ausgesungen
Das alte, ewige Lied ?
Ist nicht schon längst zur Neige
Des Ueberflusses Horn ?
Gepflückt nicht jede Blume,
Erschöpft nicht jeder Born ? “
Solang der Sonnenwagen
Im Azurgleis noch zieht,
Und nur Ein Menschenantlitz
Zu ihm empor noch sieht;
Solang der Himmel Stürme
Und Donnerkeile hegt,
Und bang vor ihrem Grimme
Ein Herz noch zitternd schlägt ;
Solang nach Ungewittern
Ein Regenbogen sprüht,
Ein Busen noch dem Frieden
Und der Versöhnung glüht ;
Solang die Nacht den Aether
Mit Sternensaat besät,
Und noch Ein Mensch die Züge
Der goldnen Schrift versteht;
Solang der Mond noch leuchtet,
Ein Herz noch sehnt und fühlt;
Solang der Wald noch rauschet
Und einen Müden kühlt ;
Solang noch Lenze grünen
Und Rosenlauben blühn,
Solang noch Wangen lächeln
Und Augen freude sprühn ;
Solang noch Gräber trauern
Mit den Cypressen dran ,
Solang Ein Aug‘ noch weinen ,
Ein Herz noch brechen kann :
So lange wallt auf Erden
Die Göttin Poesie ,
Und mit ihr wandelt jubelnd
Wem sie die Weihe lieh.
Und singend einst und jubelnd
Durchs alte Erdenhaus
Zieht als der lebte Dichter
Der lebte Mensch hinaus. –
Noch hält der Herr in Händen
Die Schöpfung, ingeknickt
Wie eine frische Blume,
Auf die er lächelnd blickt.
Wenn diese Riesenblume
Dereinstens abgeblüht
Und Erden, Sonnenbälle
Als Blütenstaub versprüht :
Erst dann fragt, wenn zu fragen
Die Lust euch noch nicht mied,
Ob endlich ausgesungen
Das alte , ew’ge Lied ?