Bald allzubalde


Ernst Brockmann

Einsam im Walde

blüht wohl ein Blümlein rot,
bald, allzubald bin ich tot,
bald, allzubalde.

Fleugt wo ein Stückchen Blei,
nimmt mir mein Sorgen.
Mir ist halt einerlei:
heut oder morgen.

Weit, wo das Tal hinab
graben drei Spaten,
graben ein kühles Grab
für ein Soldaten.

Drüben im Dämmerschein,
allwo im Städtchen
weint wo im Kämmerlein
irgendein Mädchen.

Blüht wohl ein Blümlein rot
einsam im Walde,
balde, gar bald bin ich tot,
bald, allzubalde.

Musik – Ernst Brockmann – Verdun, Frankreich
Komponiert am 20 Mai 1916
Am 7 Juni, tot – einer der Opfer der Schlacht

Lyrik – Josef Rust – Seiner Kollege

Stettin am 11. Mai 1885


Zu den Füßen dreier Hügel, an der Oder grünem Strand,
Lag ein wendisch Fischerdörfchen, kaum dem Namen nach bekannt,
Wie der Schößling schier verschwindet in des Forstes weitem Raum,
Dem erwächst des Waldes König, der gewaltige Eichenbaum.

Und das Dörflein ward zum Flecken, stieg die grünen Höh’n hinan,
Baute Burg und Göttertempel, wuchs zu einer Stadt heran,
Kränzte sich mit Wall und Graben, thront auf den drei Hügeln kühn,
War gekannt im ganzen Norden als die Fürstenstadt Stettin.

Wie des Eises starre Rinde schmilzt am milden Frühlingstag,
Triglafs stolzer Götzentempel vor dem Kreuz zusammenbrach;
Mit germanischer Kraft und Bildung Wendentrotz vergeblich rang,
Deutsche Zunge, deutsche Sitte bald das Pommerland durchdrang.

Hasel, Schiffahrt und Gewerbfleiß brachten schnell Stettin in Flor,
In dem Bund der mächt’gen Hansa that es weidlich sich hervor,
Seine Bürger waren streitbar, eine Fürsten klug und brav,
Helden wie der dritte Barnim und der zehnte Bogislaw.

Als der Greifenstamm erloschen, und der Schwede hier gebot,
Litt die Stadt oft bitt’re Drangsal in des blutigen Kampfes Noth,
Sank dahin in Schutt und Trümmer bis nach manchem trüben Jahr,
Mit dem mächt’gen Fittich schirmte sie der Hohenzollern Aar!

Gleich dem Phönix aus der Asche uns’re Stadt fast neu erstand,
Blüht empor zu kräftigem Wohlstand in der Preußenkönige Hand,
Wuchs auch räumlich, wächst zur Stunde, da den Panzer die zersprengt,
Der mit längst zu engen Banden die Erwachsene eingezwängt.

Hoher Sinn für Recht und Sitte, Emsigkeit und Arbeitskraft,
Wissensdrang und schlichte Treue zieren ihre Bürgerschaft;
Geisteszwang wie zuchtlos Wesen fand hier niemals eine Statt,
Drum mit freud’gem Stolze sag‘ ich: „Das ist meine Vaterstadt!“

Mit der Burg, den alten Thürmen, schaust du heute noch, Stettin,
Auf der Oder klare Fluthen, Quelle deines Reichthums hin,
In dem Hafen, auf den Gaffen, wogt und drängt sich der Verkehr,
Deiner stolzen Schiffe Wimpel flattern auf dem fernsten Meer.

O Stettin, du Oderkrone, blühe, wachse fort und fort,
Bleib‘ auch ferner Pommerns Perle, jedes edlen Strebens Hort,
Und wenn’s gilt, für deutschen Reiches Ehr’ und Recht das Schwert zu zieh’n,
Mögen stets in erster Reihe steh’n die Söhne von Stettin!

Gustav Karow

Das Märchen vom jungen Krebs.




Es war in einem klaren Bache,
Da wohnten die Krebse in der Lache.
Ein junger Krebs kroch aus dem Ei,
Und kam mit seiner Mutter herbei
Zu den Krebsen. Die andern
Thäten ein und aus den Löchern wandern,
Aßen zufrieden in guter Ruh,
Und tranken Bachwasser dazu.

Aber jung Krebslein ward
Unzufrieden nach Kinderart,
Behagte ihm der Bach nicht mehr,
Auch nicht des festen Panzers Wehr:
Pfui, mit den steifen Gewändern!
Ich möchte das meine ändern!
Da ward ihm mit einem Mal
Das gute alte Kleid zu schmal.

Aber klug war Krebschen auch:
Was scheer ich mich um den Brauch?
Vorwärts schreitend thu‘ ich mir weh,
Wohlan, ich künftig rückwärts geh‘!
Und von der Stunde angefangen
Ist der Krebs rückwärts gegangen.

Krebslein wuchs und wurde alt,
Aber vom Naschen bekam es bald
Schlechte wacklige Zähne.
Da konnt’s nicht recht beißen
Und seinen Fraß zerreißen.
Beine,“ sprach es, „hätt‘ ich, mein Treu!
Genug, bekäm‘ ich lieber für zwei
Davon ein paar tüchtige Scheeren
Zum Kneipen und Verzehren.

Und kaum war dieser Wunsch gescheh’n,
An seiner Brust zwei Scheeren steh’n,
Damit zwickt es ohne Erbarmen
Die Würmer und Fischlein, die armen,
Und übte große Tyrannei
Ueber die andern Thiere dabei.

Aber es ward doch nicht zufrieden,
Dacht, ihm wäre noch Größ’res beschieden,
Mied und floh alle andern,
Wollte weiter wandern.
Alses endlich war allein,
Sprachs: „Jetzt möcht‘ ich ein König sein,
Ein König mit rothem Röcklein,
Mit Krone und güldene, Stöcklein!

Wie’s so rückwärts geht am Land,
Faßt es plötzlich eine Hand.
Da sieht sich der Krebs mit Bangen
Vom Fischer ertappt und gefangen,
Und war er ohne Müh
In großer Kompagnie,
Unter Kameraden in Menge,
Ward allen darin zu enge.

Der Fischer hatte die Krebse gefangen
Und ist sodann nach Haus gegangen
Des Fischers Frau setzt Wasser zu,
Und kocht die Krebs in guter Ruh.
Da war dem Krebslein „Unzufrieden
Ein heißer Feuertod beschieden,
Und keine Kron‘ und kein Stöcklein,
Sondern — ein rothes Röcklein!

Magst Du es seh’n?
Darfst nur zur Köchin geh’n.
Aber sei immer mit Allem zufrieden,
Sonst ist Dir auch ein roth Röcklein beschieden,
Nur kämest Du
Nicht wie der Krebs dazu!

Das Kinderjahr – Philipp Körber. 1856

Struwwelpeter


Sieh einmal, hier steht er,
Pfui! der Struwwelpeter
An den Händen beiden
Ließ er sich nicht schneiden
Seine Nägel fast ein Jahr;
Kämmen ließ er sich nicht sein Haar.
Pfui! ruft da ein Jeder:
Garst’ger Struwwelpeter!

Ich hab mich ergeben


Ich hab mich ergeben
Mit Herz und mit Hand,
Dir Land voll Lieb´ und Leben
Mein deutsches Vaterland!

Mein Herz ist entglommen,
Dir treu zugewandt,
Du Land der Frei’n und Frommen,
Du herrlich Hermannsland!

Will halten und glauben
an Gott fromm und frei
will Vaterland dir bleiben
auf ewig fest und treu.

Laß Kraft mich erwerben
in Herz und in Hand,
zu leben und zu sterben
fürs heil’ge Vaterland!

Hans Ferdinand Maßmann – 1820

Lügen wegfegen . . .


An meine lieben Berliner!

Und Ihr seid doch Schlafmützen!
Ja, springt nur empor, als ob Euch eine Viper gestochen und seht mich grimmig an. Ich bin Eure Tante und darf Euch die Wahrheit sagen. Ich hab Euch lieb und darum schmeichle ich Euch nicht. Ich wasch Euch den Kopf, so oft es noth thut, und so sag ich’s Euch in’s Gesicht:

Ihr seid doch Schlafmützen!

25 Juni 1848

. . . nun erst recht


Trost und Mahnung

„Gott verläßt die Deutschen nicht,“
Wenn sie selbst sich nicht verlaßen,
Was der Zwietracht Stimme spricht
Mit der glühnden Seele haßen :
Neid und Selbstsucht, innre Feinde
Stäts der deutschen Volksgemeinde,
Mögt ihr die zu Boden ringen
Sind die äußern leicht zu zwingen.

Lied von 1848 – erste Strophe

Karl Simrock – Für Straßburgs Kinder! – 1870