Wie ist doch die Erde so schön!

Das wissen die Vögelein;
Sie haben ihr leicht Gefieder
Und singen so fröhliche Lieder
In den blauen Himmel hinein.

Wie is doch die Erde so schön, so schön!
Das wissen die Flüss‘ und See’n;
Sie malen im klaren Spiegel
Die Gärten und Städt‘ und Hügel,
Und die Wolken, die drüber geh’n.

Und Sänger und Maler wissen es,
Und es wissen’s viel andere Leut‘,
Und wer’s nicht malt, der singt es,
Und wer’s nicht singt, der klingt es
In dem Herzen vor lauter Freud‘!

Robert Reinick – Die Abendschule – 1907.

Meiner Vaterstadt Greifswald


Hann Klüth

Du liebe Alte, hoch am Meer,
Mit blauen Augen, weißen Haaren,
Wann wird mir wohl die Wiederkehr
Nach all den langen Wanderjahren?

Wann wirst du mir den Schemel rücken
Und sprechen: »Jünging, ruh di ut«?
Wann werd‘ ich leis die Hand dir drücken
Und fragen: »Mudding, büst mi gut?«

Vielleicht bin ich schon siech und grau.
Bevor der Weg zu dir durchmessen.
Du liebe, gute, alte Frau,
Vergiß mich nicht, ich werd‘ dich nie vergessen.

Georg Engel

Fichte und der Berliner Landsturm


Johann Gottlieb Fichte und der Berliner Landsturm
Johann Gottlieb Fichte

  Sind wir bisher im Gange unserer Untersuchung richtig verfahren, so muß hierbei zugleich erhellen, daß nur der Deutsche – der ursprüngliche und nicht in einer willkürlichen Satzung erstorbene Mensch, wahrhaft ein Volk hat und auf eines zu rechnen befugt ist, und daß nur er der eigentlichen und vernunftgemäßen Liebe zu seiner Nation fähig ist.

Die 7te Rede an die deutsche Nation

Markungs-Umgang


Markungs-Umgang

  Sie hielten Markungs-Umgang
und fetzten Steine ein,
der Freiherr und die Bauern,
jung Volk viel hinterdrein.

Und wo vom Zahn der Zeiten
ein Stein zu Schanden war,
und wo durch Pflug und Wagen
die Grenze nimmer klar:

da ward nach altem Branche,
daß keines Recht verletzt,
nachdem man streng gemessen,
der Markstein neu gefetzt.

Und wenn er stand im Boden
und wies in steinerner Ruh‘
dem Freiherrn wie dem Bauern
gleich recht das Seine zu —-

dan sprach, wie’s stets geschehen,
hindeutend auf den Stein,
der Freiherr ernsten Tones
zum schlanken Sohne sein:

  „ Halt feste allerroten,
was Dir von Gott beschert,
doch zu unrechten Raube
sei nie Dein Arm bewert! “

Und zu des Wort’s Bekräft’gung
gab er dem Jungen darnach
nach altem Brauch auf die Schulter
biderben Ritterschlag.

Und gleichermaßen zum Sohne
der ält’ste Bauer gewandt,
und ließ den blonden Kraustopf
gar mächtig fühlen die Hand:

  „ Halt fest mit Deinen Zähnen
was Dir nach Rechten ward,
halt’s fest mit deiner zähne,
echt deutschen Bauernart! “

Dann zogen sie des Weges
und setzten Stein auf Stein
und prägten dem Junker und Bauer
mannlich die Grenzen ein. —

Weh, daß die Väter hatten
nicht stets des Brauches acht,
nicht auf dem Markungs-Umgang
des Reiches Grenze bewacht!

Allüberall haben Feinde
die Markung frech verletzt,
bis in das Herz des Landes
den Markstein oft gesetzt.

Wohlan, ihr deutschen Mannen,
zum Umzug seid bereit,
zu setzen sind manche Steine,
zu wahren manche in Streit!

Wohlan, du deutsche Jugend,
zieh treu den Vätern nach,
empfang von ihren Händen
den Markungsritterschlag:

  „ Halt fest zu allen Zeiten
dein deutsch ureigen Land
und schirme deine Marken
mit eisenstarker Hand! “

Aus der „Gartenlaube“ – 1864

Armes Menschenkind


Wenn Du ein armes Menschenkind
In bangem Schmerz siehst weinen,
So kannst Du Deine Thränen lind
Vereinen mit den seinen.
Du kannst mit mildem Trosteswort
Ihm vor die Augen treten:
Getheilter Schmerz ist halber Schmerz,
Ihr könnt zusammen beten.

Doch siehst Du wo ein helles Aug’
In Liebeszähren blinken,
So lenke Deinen Schritt zurück
Und laß’ sich’s einsam dünken!
Die Liebe ist sich selbst genug,
Darfst ihr nicht nahe treten –
Getheilte Lieb’ ist keine Lieb’,
Da muß man einsam beten.

Th. Schuckhart – Aus der „Gartenlaube“ – 1862

Dat du mien Leevsten büst


Dat du mien Leevsten büst
Dat du wohl weeßt
Kumm bi de Nacht, kumm bi de Nacht
Segg wo du heeßt
Kumm bi de Nacht, kumm bi de Nacht
Segg wo du heeßt

Kumm du um Middernacht
Kumm du Klock een!
Vader slöppt, Moder slöppt
Ick slaap alleen
Vader slöppt, Moder slöppt
Ick slaap alleen

Klopp an de Kammerdör
Fat an de Klink
Vader meent, Moder meent
Dat deit de Wind
Vader meent, Moder meent
Dat deit de Wind

Wenn dann de Morgen graut
Kreiht dann de Hahn
Leevste min, Leevste min
Du mußt jetz gahn
Leevste min, Leevste min
Du mußt jetz gahn

Plattdeutsche Volkslied

Erste Mai


Hagedorn

Der erste Mai

Der erste Tag im Monat Mai
Ist mir der glücklichste von allen.
Dich sah ich und gestand dir frei,
Den ersten Tag im Monat Mai,
Daß dir mein Herz ergeben sei.
Wenn mein Geständnis dir gefallen,
So ist der erste Tag im Mai
Für mich der glücklichste von allen.

Friedrich von Hagedorn

Wo sind die stunden


Christian Hofmann von Hofmannswaldau

Wo sind die stunden
Der süssen zeit /
Da ich zu erst empfunden /
Wie deine lieblichkeit
Mich dir verbunden?
Sie sind verrauscht / es bleibet doch dabey /
Daß alle lust vergänglich sey.

Das reine schertzen /
So mich ergetzt /
Und in dem tieffen hertzen
Sein merckmahl eingesetzt /
Läst mich in schmertzen /
Du hast mir mehr als deutlich kund gethan /
Daß freundlichkeit nicht anckern kan.

Das angedencken
Der zucker-lust /
Will mich in angst versencken.
Es will verdammte kost
Uns zeitlich kräncken /
Was man geschmeckt / und nicht mehr schmecken soll /
Ist freudenleer und jammervoll.

Empfangne küsse /
Ambrirter safft /
Verbleibt nicht lange süsse /
Und kommt von aller krafft;
Verrauschte flüsse
Erquicken nicht. Was unsern geist erfreut /
Entspringt aus gegenwärtigkeit.

Ich schwamm in freude /
Der liebe hand
Spann mir ein kleid von seide /
Das blat hat sich gewand /
Ich geh‘ im leide /
Ich wein‘ itzund / daß lieb und sonnenschein
Stets voller angst und wolcken seyn.

Christian Hofmann von Hofmannswaldau