Wo sind die stunden


Christian Hofmann von Hofmannswaldau

Wo sind die stunden
Der süssen zeit /
Da ich zu erst empfunden /
Wie deine lieblichkeit
Mich dir verbunden?
Sie sind verrauscht / es bleibet doch dabey /
Daß alle lust vergänglich sey.

Das reine schertzen /
So mich ergetzt /
Und in dem tieffen hertzen
Sein merckmahl eingesetzt /
Läst mich in schmertzen /
Du hast mir mehr als deutlich kund gethan /
Daß freundlichkeit nicht anckern kan.

Das angedencken
Der zucker-lust /
Will mich in angst versencken.
Es will verdammte kost
Uns zeitlich kräncken /
Was man geschmeckt / und nicht mehr schmecken soll /
Ist freudenleer und jammervoll.

Empfangne küsse /
Ambrirter safft /
Verbleibt nicht lange süsse /
Und kommt von aller krafft;
Verrauschte flüsse
Erquicken nicht. Was unsern geist erfreut /
Entspringt aus gegenwärtigkeit.

Ich schwamm in freude /
Der liebe hand
Spann mir ein kleid von seide /
Das blat hat sich gewand /
Ich geh‘ im leide /
Ich wein‘ itzund / daß lieb und sonnenschein
Stets voller angst und wolcken seyn.

Christian Hofmann von Hofmannswaldau

Gebrochene Blume


Goethe-Haus

Gefunden

Ich ging im Walde
So für mich hin,
Und nichts zu suchen,
Das war mein Sinn.

Im Schatten sah ich
Ein Blümchen stehn,
Wie Sterne leuchtend,
Wie Aeuglein schön.

Ich wollt‘ es brechen,
Da sagt‘ es fein:
„Soll ich zum Welken
Gebrochen sein?“

Ich grub’s mit allen
Den Würzeln aus,
Zum Garten trug ich’s
Am hübschen Haus.

Und pflanzt‘ es wieder
Am stillen Ort;
Nun zweigt es immer
Und blüht so fort.

Wolfgang von Goethe

Ernst


Rückert

Drei Paare und Einer

Du hast zwei Ohren und einen Mund;
  Willst du’s beklagen ?
Gar vieles sollst du hören und —
  Wenig darauf sagen.

Du hast zwei Augen und einen Mund;
  Mach dir’s zu eigen:
Gar vieles sollst du sehen und —
  Manches verschweigen.

Du hast zwei Hände und einen Mund;
  Lern es ermessen !
Zwei sind da zur Arbeit und —
  Einer zum Essen.

Friedrich Rückert