Sprichwort . . .



Ein tiefer Sinn liegt in diesem Sprichwort, und es drückt eine felsenfeste Wahrheit aus, die ein jeder im Leben an sich selbst erfährt. Aber der alte Roßmäßler erläuterte das Sprichwort dahin, daß es ein arger wissenschaftlicher Schnitzer sei. Keine Rose hat Dornen! denn bei ihr sind die stechenden Dinger Stacheln. Die Botaniker geben uns folgende nähere Bestimmungen dieser beiden verwandten Waffen der Pflanzen: „Als ‚Dorn‘ bezeichnet man ein Gebilde, welches der Hauptmasse nach aus einem Holzkörper gebildet wird oder welches doch von Gefäßbündeln durchzogen ist, die aus dem Holzkörper ihren Ursprung nehmen, und der dann in eine harte, stechende Spitze ausläuft. ‚Stachel‘ nennt man dagegen ein Gebilde, welches von der Haut oder Rinde eines Pflanzentheiles ausgeht, im Innern keine Gefäßbündel enthält, im übrigen mehrzellig oder einzellig sein kann, immer aber mit einer Spitze endigt, welche die Haut des Angreifers zu verletzen imstande ist.“ Oder kürzer gesagt: Der Dorn ist ein in ein blätterloses, steifes, spitzes Aestchen verkümmerter Zweig, Stacheln sind nur leicht ablösbare Oberhautgebilde. – Um diese botanischen Unterscheidungen kümmern sich die Leute sehr wenig. Der Sprachgebrauch ist entscheidend, und er wirft Dornen und Stacheln durcheinander, darum wird es auch immer heißen: „Keine Rose ohne Dornen!“

Quelle:Wikisource

Schlaf ein


Schlafe, mein Prinzchen, schlaf ein,
Schäfchen ruhn und Vögelein,
Garten und Wiese verstummt,
auch nicht ein Bienchen mehr summt,
Luna mit silbernem Schein
gucket zum Fenster herein,
schlafe bei silbernem Schein,
schlafe, mein Prinzchen, schlaf ein,
schlaf ein, schlaf ein!

Auch in dem Schlosse schon liegt
alles in Schlummer gewiegt,
reget kein Mäuschen sich mehr,
Keller und Küche sind leer,
nur in der Zofe Gemach
tönet ein schmachtendes Ach!
Was für ein Ach mag das sein?
Schlafe, mein Prinzchen, schlaf ein,
schlaf ein, schlaf ein!

Wer ist beglückter als du?
Nichts als Vergnügen und Ruh!
Spielwerk und Zucker vollauf
und noch Karossen im Lauf,
Alles besorgt und bereit,
dass nur mein Prinzchen nicht schreit.
Was wird da künftig erst sein?
Schlafe, mein Prinzchen, schlaf ein,
schlaf ein, schlaf ein!

Friedrich Wilhelm Gotter