Der Mutter Grab (zum Allerseelentage)
Wir haben in Nr. 20 III. Jahrg. junge, lebensfrische, heitere Mädchen gesehen, wie sie neugierig in den Brunnen sahen, aus wenn ein neues Schwesterchen und sie selbst gekommen; wie lebendig, wie heiter war die Szene, und jetzt, wie freudenarm und tief betrübt, nicht mehr aufrecht in voller Jugendlust, sondern zusammengebrochen, alle Freudenblüten verwelkt und zerschlagen, sieht ein Mädchen wieder hinab, aber in einen weit möglich ärztliche Hilfe, doch vergeblich; die sich steigernden Unterleibs- zerschlagen, sieht ein Mädchen wieder hinab, aber in einen weit tieferen Abgrund als in den Brunnen; abgewendet das thränenmüde Haupt wollen die thränenmüde Haupt wollen die Augen hinabbringen in die tiefsten Abgrund, in das Grab. Auf dem einsam kleinen Kirchhofe mit wenigen einfachen Kreuzen und halb eingesunkenen Hügeln haben sie die Mutter vor wenigen Wochen eingescharrt; das treue Herz, welches mit so viel Wärme für das Kind geschlagen und das nun mit einem Male aus dem Kreise der Seinigen scheiden mußte. – Wohl, du armes armes Kind, senke dein Auge hinab, beuge dein Haupt, du hast das Höchste verloren, was ein kindliches Herz verlieren kann, dir hat der Herr die Mutter von der Seite gerufen. Keine liebende Hand wird deine kindlichen Schritte leiten, kein Mutterauge wird bei deinem Schmerze sich mit Thränen feuchten und nicht bei deiner Lust in theilnehmender Freude leuchten. Aber ihr treues Herz wird auch in jenen Fernen für dich schlagen und die Lippen, welche dich so oft in heißer Liebe geküßt und welche dich jetzt nicht mehr ermahnen können einfach und fromm zu bleiben, sie werden zum Vater aller Welten stehen, daß er dich einfach und fromm erhalte und seinen Engel an deiner Seite weilen lasse. Solch‘ einen Engel, solch einen Schutzgeist hat jeder Mensch; er müßte denn bereits ganz in Sünde versunken sein, daß ihn die himmlischen Heerscharen hoffnungslos und weinend aufgegeben. Darum erhebe dein Haupt von dem Grabe und schaue empor zum Himmel, als liebflammendes Mutterherz strahlt dort die Sonne und als tausend freundliche Augen leuchten die Sterne nieder, und über all‘ dem Glanze wirst du die Deinen alle wieder finden. Was du verloren, die Liebe, sie ruht nicht tief in der Erde, sie lebt und waltet in dir und neben dir und hoch über dir im Herzen Gottes, der niemals von den Seinen läßt.
Beilage zu M Auers
Faust – Poligrafisch-illustrirte Zeitschrift – 1857