Trinken wir Bruderschaft . . .
„ Seid umschlungen, Millionen
Diesen Kuß der
ganzen Welt ! “
charakterisirt, während der Wiener dafür den Evve Ruf:
„ Verkauft’s mei G’wand,
I fahr‘ in Himmel ! “
gefunden hat.
In solchen Augenblicken entstehen „Bruderschaften“ die weder durch verwandschaftliche, noch durch sociale, durch Gemüths-oder Sympathie-Rücksichten ernsthaft begründet sind, oder auch nur erklärlich erscheinen.
So ist die „Bruderschaft“ ganz untrennbar vom Becher, mit dem das Bündeniß ja auch bestiegelt wird – das, wie gesagt, in den allermeisten Fällen in einem besonderen Ausnahmszustand des Gemüths, um es rücksichtsloser und wahrhafter oder späteren Stadium der „Ungetrunkenheit“ geschlossen wird.
Es ist noch Niemandem eingefallen, Einem unter Tags, oder am Morgen, etwa nach dem Kaffee, den Antrag zu machen: „Sagen wir Du zu einander;“ es hat noch Niemand auf der Promenade am besten Tage seinen Begleiter, sei er ihm noch so sympathtisch, mit dem Geständniß überrascht: „Ich habe den lebhaftesten Wunsch, zu Ihnen Du zu sagen – wenn Sie erlauben,“ oder auch auf brieflichem Wege kommt dieses Du-Verhältniß nicht zu Stande.
Keiner hat noch seinem Freund geschrieben:„Mit Ihnen Bruderschaft anzubieten und Sie mit „Du“ anzureden ! “ . . .
Auch die Studiosen, die durch viel Gemeinschaftliches: Jugend, Lebensgang, Ziel und – Begeisterung verbunden sind, trinken „Smollis“ es geht eben gar nichts ohne den Becher. Nur Carlos durfte unter freiem Himmel und aus „heiler Haut“ seinen Posa mit den Worten anreden:
„. . .. Nenn mich Du:
Ich habe Deinesgleichen stets beneidet,
Um dieses Vortrecht der Vertraulichkeit,
Dies brüderliche Du betrügt mein Ohel . . . “
Das Studenten-Du war übrigens früher allgemein; Gottingen und Heidelberg haben diesen alten Brauch abgeschaftt, die anderen Universitäten haben das Beispiel befolgt.
Es ist eigenthümlich, daß viele Menschen im Du-Verkehr von ihrer Liebenswürdigkeit verlieren. Das „Du“ füllt in sehr zahlreichen Fällen die trennende Kluft nicht nur nicht aus, es erweitert sie oftmals sogar; die Intimität wird mißbraucht und Menschen, die sich „per Sie“ ganz gut vertragen hätten, entfremden sich und werden sogar noch „Du-Feinde.“
Das Unbieten des vertraulichen „Du“ wird bei Bieten zur Manie. Besonders die Wirthshausbrüder, die gewissen gemüthlichen und besirickerden Naturen, die – wenn man genauer hinsieht, erfährt man’s, freilich nur am Stammtisch so charmant und liebenswürdig sind – die verfolgen gewohnheitsmäßig auch oberflächlichere Bekannte mit der Offerte der „Bruderschaft,“ und wenn sie auch einmal ein Refus bekommen, so schreckt sie das nicht ab.
„ San ma Freund,
Sag’n ma Du.“
Das ist der Vorschlag „zur Güte,“ der ihnen stets auf den weinfeuchten Lippen schwebt: denn wohlgemerkt, der Wein, nicht das dickflüssigere schwere Bier ist der Weihetrank der Brüderschaften.
Ganz ohne Vorbereitung und Verabredung tönt in die Seligkeit des Kusses das traute „Du“ hinein. Es löst das Lebens- und Liebesräthsel, und sinnreich ist des Dichters Auslesgung, der vom „Du“ der Liebesleute sagt:
„ . . . O hör vertrauensvoll dem trauten,
Dem schönsten Liebesworte zu,
Der schmeicheindste von allen Lauten.
Und doch das wahrste ist das „Du !
„Du“ weist den Zweifel selbst zur Ruh‘:
D’rum sass‘ geduldig Dich umstricken
Vom folgereichen – ersten „Du“
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