Fritz Reuter

Polterabend-Gedichte

in hochdeutscher und niederdeutscher Mundart


Inhalt:

  1. Korl und Marieken
  2. Eine alte Kinderfrau
  3. Der Bräutigam
  4. Ein Postillion und ein Stubenmädchen
  5. Rieke un Dürth
  6. Ein Kindermädchen
  7. Ein Schäferknecht mit seinem Hund
  8. Zwei kleine Mädchen
  9. Vorspiel
  10. Hanne un Fieken
  11. Die Zigeunerin
  12. Das liederliche Kleeblatt
  13. Eine Köchin
  14. Tag und Nacht
  15. Ein Kutscher und ein Stubenmädchen
  16. Ein Marktschreier
  17. Ein Orgeldreher mit seiner Frau
  18. Zu einem Geburtstage
  19. Eine Szene zum Geburtstage des Vaters
  20. Zu einer silbernen Hochzeit
  21. Prolog zum Polterabend
  22. Bei Überreichung eines Bierseidels
  23. Für zwei kleine Mädchen von sechs und acht Jahren
  24. Für ein Kind, welches ein in einem Apfel
        verschlossenes Geschenk überreicht
  25. Ein Arbeitsmann
  26. Zu einer silbernen Hochzeit

1. Korl un Marieken

Korl (beim Eintreten):
I wo? Du meinst, ick sall mi brühren laaten?
Gah hen un nimm di doch den Schniere,
Un frieg di doch den Hungeliere;
Ick för mien Deil gah unne dei Soldaten.

Marieken:
Ih, Korl, mi dücht...

Korl (nachäffend):
Mi dücht, mi dücht!
Ich will di seggen, wat mi dücht:
Mi dücht, du handelst an mi schlicht.
Von Dag tau Dag wad dien Bedragen schlimme,
Du treckst mi an dei Näs' herümme.
Un sich tau nehmen so'n Schniere! –
Ick wull doatau nicks seggen, wier'e
En richt'gen Kierl, doch dat's ein Vagelbunt,
So'n Wäpstart, so'n schrägelbein'ge Hund,
So'n Hirre, so'ne Meck, so'n Zeeg!
Wenn'ck den'n mal in mien Fingern kreeg!

Marieken:
Ih, Korl! Ih, Korl, wat rehrst denn du?
Nee, Körling, süh, ick bün di truu
Un war gewiß noch mal dien Fru.

Korl:
Du mi tru? Du miene Fru?
Ierst harst den Schauste, nu den Schniere;
Paß up, nu kümmt dei Klempne, un so wiere.
Un ick sall tauseihn, wo sich dat regiert?
Wo mien Marieken 'rümme karessiert?
Ick sall den Handel noch vetüschen?
Un sall doa bi stahn un dat Muhl mi wischen?
Mien Döchting, nee! Gah du dien Weg',
Nimm di den Schniere, frieg dei Zeeg!

Marieken:
Na, Korl, nu hür, nu will'ck di mal wat seggen...

Korl:
Na, dit is doch! Nu will s' mi noch wat seggen!
Du wist di woll up't Strieren leggen?
Kiek mi mal an; kannst du dat strieren?
Dat du mit em nich gistern güngst spazieren?
Ick hew't woll seihn, du schlichte Kreatua,
Ick stünn dicht bi jug up dei Lua,
Ick hew't woll seihn, wat doa passiert,
Un hew dat Wurt vör Wurt anhürt.
»Mariechen«, sähr'e, »ach, wo bün ich doch verliebt!
Wat is dat doch vor een Jedanke,
Wenn man det Abens uf der Banke
Sein Herz so vor enander jibt!
Oh, wenn ich doch eins jlücklich wäre!«
Un ja, Marieken, »jlücklich« sähr'e.
Un du, Marieken, ach, wat wierst du nett!
»Jeliebter Fründ«, sährst du, »ich jlaube dir:
Dat einzigste Pläsierverjnügen,
Wat so en armes Mädchen hett,
Dat is die Lieb des Abens vor die Dür,
Un nahsten einen Mann zu kriegen.«
Un so güng't noch en Strämel wiere.
Un dat süll ick mi beiren laaten!
Ick süll mal bloß den Schniere faaten!
So'n Schrägelbein. So'n dreihbeinigte Schniere!

Marieken:
Du dumme Klas, süh, dat geschüht di recht!
Gah du man hen nah dei Soldaten!
Hew ick di nich all ümme seggt,
Du sast dat olle Luuren laaten?
Nu is dat kamen, as ick dat hew wullt,
As ick't mit Fliet all lang' dehr wünschen.
Dei Schniere, süh, hett keine Schuld,
Dat is en vähl tau nobeln Minschen,
Dei Schniere is en Ihrenmann,
Un ick bün so unschüllig dran,
As wier'ck en niergeburnes Kind.
Dei Schniere, süh, dat is mien Fründ,
Un ok tau'm Schwage war'ck em kriegen,
Hei will Korlin, mien Schweste, friegen.
Un wenn hei 's Abens up dei Straaten
Mit mi mal steiht, un vör dei Döhr,
Denn schnackt hei mit mi bloß von ehr. –
Nu gah doch hen nah dei Soldaten!
Meinst du, dat ick doanah wat frag?
So'n Dämlack krieg'ck noch alle Dag'!

Korl:
Je, du büst klauk un weist di rut tau rehren.

Marieken:
Mit so'n Stück Schnack laat mi taufrehren!
Wo? Ruterehren nennst du dat,
Wenn ick di ingestah ganz iehrlich, wat
Wi beiren von Korlinen spraken?
Ih, gah'! Mit di's kein Staat tau maaken!
Du büst tau dumm; ick will von di nicks weiten.
Noch nennt mi Rieke Schmitten jeremann,
Un dat hürt sich vähl bäte an,
As wenn s' mi nahsten Däskoppsch heiten.

Korl:
Wo so denn Däskoppsch? Wo denn so?

Marieken:
Laat mi in Rauh! Ick segg di jo,
Mit uns is't ut, ick heww dat satt;
Ick treck jetzt weg hier ut dei Stadt.
Dien Sangbauk kannst di werre nehmen.
Ick möt mi jo vör di schanieren
Un tau 'ne Preistemamsell mi schämen,
Wenn dienen Drähnschnack Minschen hüren.
Mi wad bald kolt, mi wad bald heit
Vör diene groote Dämlichkeit.

Korl:
Ih, laat man sin, Marieken! Kumm!
Bün ick denn würklich man so dumm?

Marieken:
Dat markst du nich? Na, dat möt ick bekenn'n!
Mit di kann man jo Wänn'n inrönn'n.
Du höllst di noch för klauk am En'n?

Korl:
För klauk just nich, dat will ick grar nich seggen,
Doch grar ok nich för alltau dämlich.

Marieken:
Na, hür mal! Dämlich büst du tämlich,
Du kannst so düsig üm di gaapen,
Grar as dat meckelnbörgsche Waapen.

Korl:
Na, kumm, Marieken, laat't man sin!
Wenn ick ok en Bäten düsig bün,
Ick holl doch goa tau vähl von di.

Marieken:
Je, hür mal, Korl, wenn dat nich wier,
Denn wier't mit uns all lang' vebi,
Denn wier ick lang' all nich miehr hier.
Ick wull di laaten gahn dien Weg'
Un säuken di 'ne ann're Fru,
Doch wenn'ck di in dien Oogen seeg,
Dat du so iehrlich büst und tru,
Denn wier't vebi mit den Entschluß.

Korl:
Kumm her, Marieken, giww mi'n lütten Kuß.

Marieken:
Je, wist ok werre luuren gahn?
Un wist ok werre falsch vestahn?
Un wist ok noch den Schniere schlahn?

Korl:
Ih, Gott bewohre! Mienentwegen
Kannst du spazieren gahn, mit wen du wist.
Un kannst, wenn du sei bloß nich küßt,
Spazieren gahn mit all dei Zeegen.
(Er küßt sie.)

Marieken:
Nu, laat man sin, laat doch man sin!

Korl:
Sall'ck di nich mal eins äwestraken?

Marieken:
Süh, ich hahr dat mit di gaud in den Sinn
Un wull di einen Vörschlag maaken:
Ick weit 'ne Herrschaft, dei sich morgen friegen,
Doa künn'n wi beir en Posten kriegen,
Wenn du up mienen Vörschlag hürst
Un man nich alltau dämlich wierst:
Du bi den Herrn, ick bi dei Dam,
Dann bleew wi beir doch hübsch tausam.
Un wenn dat wier, nah ein poa Joah,
Denn würr'n wi beir woll ok en Poa.

Korl:
Un du, Marieken, würst mien lütte Fru!

Marieken:
Dauh doch nich gliek so'n driesten Schnack! –
As Kammejumfe ick, as Kutsche du...

Korl:
Wo, orndlich mit 'ne bunte Jack
Un mit 'ne Kunkahr an den Haut?

Marieken:
Natürlich! Grar as sich dat hürt.
Di wad woll orndlich stolz tau Maut?

Korl:
Ja woll, Marieken, prächtig wier't,
Un ick kehm mit den Kram ok t'recht,
Denn süh, ick dein all lang' as Knecht
Un bün gefährlich up dei Mähren.
Doch fällt mi goa tau schwer dei Sprak,
Un bi so'n Herrschaft, dat 's so'n Saak!
Ick weit sei nich d'rupp antaurehren.

Marieken:
Ih, dat, dat krieg' wi woll tau Schick,
Maak du dat grar man so as ick,
Rehr frisch von diene Lewe weg,
Dat sülwje, wat dei Fru ick segg,
Dat seggst du ok tau dienen Herrn.
Kumm du man mit, dat wad sich allens reihn,
Un sett hübsch utwarts diene Bein,
Un möst ok nich so driest upperr'n.
Kumm gliek man mit, gliek mit heran!
Ick tau de Fru, du tau den Mann,
Un stell di bloß nich dämlich an.

(zu der Braut.)
Madame, ick hew tau hüren kreegen...

Korl (zum Bräutigam):
Ja woll! Wi hebbn tau hüren kreegen...

Marieken:
Dat Sei sich morr'n vefriegen würr'n...

Korl:
Dat Sei sich morr'n vefriegen würr'n...

Marieken:
Un doarüm un um dessentwegen...

Korl:
Un doarüm un um dessentwegen...

Marieken:
Kam ick tau Sei, üm Sei tau birren...

Korl:
Kam ick tau Sei, üm Sei tau birren...

Marieken:
As Kammejumfe mi tau meiren...

Korl:
As Kammejumfe mi tau meiren...

Marieken:
Wo's't mäglich! Nee! Du dumme Klas!
Dit geiht doch äwe allen Spaß!
Ick möt mi in dei Ier rin schämen.
Ick süll di friegen? War mi häuren!
Will sick als Kammejumfe hier vermeiren!

Korl:
Ja, süh, Marieken, sährst du nich...?

Marieken:
Ih, maak! Un laat mi man taufrehren.
Gah weg, du Klas, un laat mi rehren. –
Sien Dummheit, Herr, is fürchterlich,
Un mi is't sülwsten siehr schanierlich,
Doch is't en gauren Kierl, truu un iehrlich.

Korl (zur Braut):
Madaming, wenn'ck Sei rahren kann,
Denn nehmen S' dei as Kammerjumfe an:
Marieken, dei is gruuglich klauk,
Un schnacken kann s', grar as en Bauk.
Sei's flink un fix un gaud tau Bein,
So wat hebb'n Sei mendag' nich seihn;
In ein Minut dreiht sei sich dreimal üm,
Un uhrig is sei, as 'ne Imm.

Marieken:
Herr, nehmen S' Korln as Kutsche sich,
En betern Kutsche gift dat nich.

Korl:
Madaming, nehmen S' sich Marieken,
Dei Diern hatt nahrens ehres Glieken.

Marieken:
Sei will'n ehm nehmen?

Korl:
Sei will'n s' sich meiren?

Beide:
Ih, dat is nett!
Ein Jere nu en Posten hett.

Korl:
Ick bi den Herrn, du bi dei Dam,
Nu bliew wi beir doch hübsch tausam!

Marieken:
Har ick dat nich so klauk anfungen,
Denn wier dat Stück uns nich gelungen.

Korl:
Ja, mäglich is't; ick will't nich strieren,
Dat du dei Saak utfuchten hest,
Doch wier mien dämlich Schnack nich west,
Denn dehr uns dat vielleicht noch brühren.
Ick holl dien Klaukheit sihr in Ihren,
Un Klaukheit is 'ne schöne Saak;
Doch wenn wi beir so pfiffig wieren
Un beir so schwipp mit unse Sprak,
Denn wier dat mit dei Friegerie
Un mit dei Leiw woll bald vebi,
Denn wier dat Ei
Woll bald intwei,
Dann würr dei Höll uns bald tau heit.
Nee! Ick law' mi dei Dämlichkeit.

2. Eine alte Kinderfrau

Ach Götting! Nee! Wo lang' is't hea?
Dunn was sei noch en lüttes Jöah,
Un nu, nu is't 'ne grote Bruut!
Un ach, wo schmucking süht sei ut!
Wo is dat doch woll mäglich? Neeking!
Dat hahr ick doch mendag nich dacht!
Wo süht sei schmucking ut? Herr Jeking!
Wat is sei nüdlich doch getacht! –
Ick hew di up den Arm rüm dragen,
Du olles, leiwes, säutes Jöah,
Bet mi tauletzt de Schullern möah
Un sich mien Puckel krumm hett bagen.
Dunn nehm'ck di von den Arm heraf
Un leet di in dei Stuw 'rümkrawweln.
Un wenn du di mal dehrst besawweln,
Denn putzt ick di dien Näsing af.
Denn hew'ck di in den Wagen führt,
Un nahsten hew'ck di loopen liehrt:
Ganz leining, leining, ganz alleining
Up diene leiwen, flinken Beining,
Bet du so fixing loopen liehrst,
As wenn du 'n lütten Kiewitt wierst.
Un as du man ierst loopen künnst,
Dunn liehrt ick di dei schönen Künst:
Wo gröting büst du?, Kaukenbacken
Un Soltveköpen, Hukepacken,
Un endlich liehrt ick di dat Schnacken.
Dat duurte denn ok goa nich lang',
Dunn künnst du nüdlich plattdütsch rehren.
Doch dunn kehm dien Mama mit mang,
Dei hett dat Plattdütsch sich verbeeren,
Dat süll nu idel Hochdütsch sin.
Un as dei ierst doamang is kamen,
Herr Gott, wat kohltst du dunn tausamen!
Dat die kein Minsch vestahen künn.
Bet ick't för gaut inseihen dehr
Un mi ok up dat Hochdütsch lähr.
Un was du davon hast geliehrt,
Das kommt von mich,
Das lernt ich Dich,
Das hast von mich du profentirt.
Das sollt' nu aber doch nich gellen
Un die Mama füng wieder an zu schellen,
Daß allens, was ich tät un sähr,
Kein richtig Hochdütsch wesen dehr.
Sie ließ 'ne Guwernantin kommen,
Un die hat dich denn fürgenommen.
Das aber kann ich nu nich wissen,
Was du da all hast lernen müssen,
Un was du profentirt bei sie,
Denn ich kam bei das Haunervieh. –
Na, dat is vähle Johren hea,
Mi äwer is't, as wier dat hüt.
Wenn wi ierst olt, kümmt't uns so vöa,
Un rasch vergeiht uns denn dei Tied.
Ein Joah is goa tau bald vebi! –
Na, gistern kehm denn uns' Zaphie,
Wat nu uns' Stubenmäten is,
Dei sähr tau uns för ganz gewiß,
Dat hüt süll Pulterabend sin,
Un morgen süll dat Kinting friegen.
Ach Götting, nee! Wo würr mi dunn tau Sinn!
Dei Tranen dehren in dei Ogen stiegen.
Dat Kind sall friegen! Jere bringt
Die taum Geschenk ein Angedenken,
Dei ein, dei danzt, dei anne singt,
Un wat hew ick woll di tau schenken?
Gott un dien Öllern utgenamen,
Bün ick di doch dei alleneegst;
Un wenn du ok dat Schönste kreegst
Von all dei feinen Herrn und Damen,
Ehr Gaaw, dei wier nich half so groot
As mien – as dit, dit leiwe Brod.
(Sie enthüllt ein noch warmes Brot.

Zu den Umstehenden.)
Oh, lach ji nich! Mien Brod is bete
As all jug Sülwe, all jug Gold.
Oh, lach ji nich! Mien Gaw is gröte;
Mien Brod is warm, jug Gold is kolt.
Un weit ji, wat an't Brod all hackt?
Vähl Tranen sünd doarinnen backt,
Vähl Tränen, dei dei Armut rohrt,
Dei sünd in dit leiw Brod vewohrt.
Vähl Arbeit un vähl suuren Schweit
In dit leiw Brod sich bargen deiht.
Un weit ji denn, wat Arbeit heit?
Ja Arbeit, Armut, Sorg und Not,
Dei sünd vebackt in dit leiw Brod!
Dat Brod is heilig! seggt dei heil'ge Schrift,
Un wenn 'ne olle Fru ehr letztes gift,
Denn gift sei't Hart mit weg, ehr ganzes Leben.
Un so vähl hett von jug nich eine geben.

(Zur Braut:)
Un di, mien Kind, will ick nu noch wat seggen,
Wenn ick dat Brod in diene Hand dauh leggen:
(Sie überreicht das Brot.)

Denn denk doaran, dat dat 'ne schlimme Tied,
Un keine weit, wat noch geschüht;
Dat an dien Döah so männigeine steiht,
Dat männig friert und männig hungern deiht,
Dat du möst Recknung leggen morr'n
Von dat, wat di hüt geben worr'n.

Un nu lew' woll, mien säutes Kind!
Dien Glück wes' warm as Sommewind,
Dien Hart bliew' jung as Vagelsang,
Un duurt dien Leben noch so lang!

So still un ruhig as dein Mahn,
So as dei Stiern an'n Heben gahn,
So as dei Wolk' bi Sommetied,
So as dei Sommemetten tüht,

So as dörch Gras un Blaumen bunt
Dei Bäk sich schmiegt dörch gräunen Grund,
So rein un frisch un hell un kloa,
So fleit dien Leben Joah för Joah.

Lew' woll! Lew' woll! Ick bün tau En'n.
Uns' Herr Gott legg' up di sien Hän'n,
Hei holl' di fiern von alle Not
Un gew' di stets dien däglich Brod.

3. Der Bräutigam

(Ein junger Landmann, der von einem andern, am besten von einem Bruder, kopiert wird.   Hernach Rose, eine alte, halb blinde, halb taube Aufwärterin.)

Bräutigam (mit Scheun-Schlüsseln, an die auffallend große
Knittel gebunden sind, hereintretend. Er trägt
gewöhnliche Kleidung, hat aber einen vollständigen
eleganten Anzug über dem Arme hängen):

So! das wär' abgemacht!
Die Ställ' und Scheuren sind jetzt alle unterm Schlosse.
Nun heißt's sich angezogen, schmuck gemacht,
Und dann geht's fort auf schnellem, flücht'gem Rosse.
»Wie schön war N. N. heut«, so soll es heißen,
Den Feinen, Zarten will ich heut 'rausbeißen,
Was Fashionables, ganz apart Patentes!
N. N.! Ja, die kennt es!
Sie wird am feinen Anstand sich ergötzen,
Sie weiß Tournüre und Garderobe zu schätzen.
Wenn sie an dem Klavier sitzt und Gefühl
In jeden zarten Finger legt,
Dann tret' ich hinter sie und lausche ihrem Spiel
Und jedem Seufzer, der sich regt;
Und aus der Politur vom Instrumente
Strahlt ihr mein Bild entgegen, das patente.
Ein Bild voll Grazie, voll nobelster Natur,
Ein Bild selbst voll der feinsten Politur,
In schwarzem Frack, in gelbem Handschuhleder,
In zierlicher Krawatt und jeder
Der Stiefel in der Wichse höchstem Glanz;
Ein Bild, so exquisit, als wär es ganz
In crême der höchsten Zirkel eingetaucht,
Als wär's als Held schon mal verbraucht
In einem ultrafashionabelen Roman
Von Gräfin Ida Hahn-Hahn-Hahn.
(Kramt unter den Kleidungsstücken.)
Doch weh mir Armem! Was soll ich beginnen?
Gott steh mir bei und schütze meine Sinnen!
Ich will brillieren, und mir fehlt's am Besten,
Ich finde keine meiner weißen Westen.
Was hilft mir schmachtend Aug', was zierliches Gelock?
Was gelber Handschuh selbst und fashionabler Rock?
Was hilft des Vorhemds Glanz? Was hilft selbst die Manschette?
Was nützet aller Schmuck, was Ring und gold'ne Kette?
Nur in 'ner weißen Weste kann man siegen!
Dit is doch üm dei Pest tau kriegen!
Nee! Dit's tau dull! Doa sall man friegen!
Is doch en olles, dwatsches Mäten!
Hüt morgen, as sei Stäwel bröcht,
Hew ick't ehr so recht dütlich seggt,
Sei sall dei Westen nich vergeten.
Ros'! – In dei Komohr is ok nich ein.
Am En'n is nich en Dings mihr rein!
Na, täuw', du Racke! Ros'! – Ick will
Die gründlich doch einmal kurieren;
Dei Spaß, dei blift hüt ut dat Spill,
Du sast mi nich taum tweiten Mal vexieren.
Ros'! – Wo blift sei denn? Ros'! – Ros'!

Rose:
Herr Je! Herr Je! Wat is denn los?

Bräutigam:
Hew ick di nich hüt morgen seggt,
As du mi hest dei Stäwel bröcht,
Du süst mien witten Westen bringen?

Rose:
Singen? – Ja sing'n Sei man!
Woll den'n, dei noch singen kann.
Sei känen singen vull un luut,
Sei sünd noch jung un hebb'n 'ne Bruut.

Bräutigam:
Ick rehr nich von mien Bruut, ok nich von't Singen;
Ick segg, du sast mien witten Westen bringen!

Rose:
Am besten sing'n? Je, dat kann ick nich seggen,
Wer hier in'n Huus' am besten singt.
Doch doarup mücht ick woll en Eid afleggen,
Dat Ehre Bruut ehr Sing'n vör Sei am besten klingt.

Bräutigam:
Ich wollt, du wärst bei allen Teufeln!
Nein! Dies ist rein doch zum Verzweifeln.
Ick segg: Du sast mien witten Westen bring'n!

Rose:
Nu spaßen Sei! Ick sall hier mit am besten sing'n?
Ick sing'n! Ach, du leiwer Gott!
Ach nee, Herr N. N., dat is Spott;
Ick kann jo nich en Ton 'rutbring'n.
Ja! As ick jünge wier, dunn hew ick sungen,
Dunn hahr'ck ok noch ganz ann're Lungen.
Noch nielich, as ick Stäweln putzt,
Dunn hew ick't werre mal versöcht.
Dat hebbn dei annern Dierns gliek upgemutzt
Un hebbn mi 'n Glas voll Wate bröcht
Un sähren mi, dat hahr so klungen eben,
As wull sich eine äwegeben.

Bräutigam:
Na, hat man so etwas gehört auf Erden!
Dies ist um rein verrückt zu werden!
(Zeigt ihr die Weste, die er anhat.)
Du sast mien witten Westen bringen!

Rose:
Je, so! Je, so! Dei witten Westen!
Worüm denn seggn Sei dat nich gliek?
Wo? Glöben Sei, dat ick dat rüük?
Dütlich gespraken, is am besten. –
Dei witten Westen! Ja, dei witten Westen!
Ick hew en ganzes Deil tausamen sport
Un hew sei bi mi gaut vewohrt;
Ick hew'e nicks as Argenis doavon!
Doa 's N. N., dat's so'n Musch Kujohn,
Hei döcht nich, hew ick ümme seggt,
Dei hahr sich ok drei in den Kuffert leggt;
Dat rappst un grappst sich all'ns tausamen,
Ick hew s' em äwe heimlich werre 'rute nahmen.
So maaken s't all, Ehr Vahre un Ehr Bräure,
Sei stehlen all vom Lüttsten bet taum Grötsten.
Vestahn S' mi recht, ick mein nich ann're Gäure,
Ick mein man bloß, sei stehlen witte Westen,
Von witten Westen hew'ck man seggt.
Mi süll't wahrhaftig goa nich wunnern,
Wenn ok Ehr Schweste N. N. unnern
Kleed ore Aewerock ehr witten Westen drögt.

Bräutigam:
Na, denn gah hen und hahl s', ick hew kein Tied.

Rose:
Nu, nu! N. N. ist doch nich alltau wiet,
Un wer so schmuck as Sei utsüht,
Dei kümmt noch ümme grar tau rechte Tied.
Ick hahl dei Westen, as Sei mi befahlen.
Wer weit, sei hebbn s' all werre stahlen.
(Geht ab.)

Bräutigam (allein, sentimental):
Mich faßt ein namenloses Sehnen,
Ach! nach N. N.! Ich reit' allein;
Ich eile jetzt, mich zu verschönen,
Und flieh der Brüder wilde Reihn.
Errötend such in Koffern, Kästen
Die Garderobe ich Stück für Stück;
Die schönste such ich meiner Westen,
Womit ich meine Liebe schmück'.
O zarte Sehnsucht, süßes Hoffen,
Der ersten Liebe goldne Zeit!
Die Weste laß ich vorne offen
Und zeig' des Vorhemds Zierlichkeit,
Oh, daß sie unzerknittert bliebe,
Die Weste und die junge Liebe!

Rose (kommt mit einem ganzen Arm voll Westen,
Vorhemden, Hemdkragen und anderem Weißzeug):
Na, sünd dat 'naug, süs hahl ick mihr.
(Will gehen, um mehr zu holen)

Bräutigam (hält sie fest):
Zum Dunnerwetter, blief doch hier,
Meinst du, ick will mien Bruut tau Ihren
En Trödelladen etablieren?
(Er kramt unter dem Zeuge.)
Die nicht – die auch nicht, (laut zu ihr.) dei' s jo nich mal rein!

Rose:
Nich vör dit Oog, Sei möten s' vör dat anne hollen,
Up dit Oog kann ick nich recht seihn.

Bräutigam:
Du lieber Gott! Was doch wohl meine Eltern wollen?
Daß sie die blinde, taube Kreatur,
Die weder sehn noch hören kann 'ne Spur,
Mir hier als Stubenmädchen oktroyieren.

Rose:
't is wohr! Seihn kann'ck nich recht; doch hüren!
Ja, hüren kann'ck! Ick hür so prick,
Dat, wenn s' in N. N. König scheiten, ick
Dat Scheiten kann in N. N. hüren.

Bräutigam:
Na ja! Is gaut, ick weit dat all.
Nu gah mal 'runne nah den Stall:
Dei Rietknecht sall mien Pird mi bringen,
Un hür!, ok nich dei ollen Decken,
Hei sall dei nie Schawrack upleggen
Un sall ok nich dei Gort tau los' antrecken.
Nu antwurt mi, wat sast du seggen?

Rose:
Dei Rietknecht sall Ehr Pierd Sei bringen,
Un Dürt sall nich den Ollen wecken,
Sei sall dei nie Krawatt anleggen
Un sall ok nich dei korte Hos' antrecken.

Bräutigam:
Dies ist zu toll! Ist zum Verrecken!
»Dürt sall ok nich dei korte Hos' antrecken!«
Wenn ich noch reiten will, muß ich mein eigner Bot' sein.
Dit geiht doch äwe Kried un Rotstein!
(Läuft wütend ab.)

Rose:
Doa geiht hei hen, nu fleut em nah!
Ick segg em allens Wurt vör Wurt,
Un wat hei seggt, spreck ick em nah,
Nu ward hei bös un löpt mi furt. –
Na, loop du man! Dei Tied wad kamen,
Wo ick nich mihr so üm di 'rümme bün,
Un all dei vornehm fienen Damen,
Dei waren nich för di so sorgsam sin.
Dat is dei Dank, dat is dei Lohn!
Wat? Röpt mi wer? Wat wier dat för'n Ton?
Oh, 't is woll nicks. Wer süll't ok sin? –
So geiht ein'n dat, wenn man tau gaut kann hüren,
Man deiht sich ümme so vefiern,
Man hürt up allens, hürt up dit un dat
Un glöwt denn ümme, dat man raupen wad.
Wat wull'ck noch seggen? Richtig! Von dei fienen Damen.
Ob doavon weck woll up den Infall kamen,
Dat sei ein siene Stuw utfegen,
Ein siene witten Westen hegen?
Ob ein von ehr em woll dei Knöp anneiht
Un ein woll Rendlichkeit andeiht?
Ob sei em woll, wenn hei deiht Unsinn rehren,
Dat Wurt vör Wurt, as ick, nahbehren?

(Sich an die umstehenden Damen wendend.)
Würr'n Sei dat dauhn, mien säute Schatz?
Un Sei? Un Sei? – Doa rögt sich kein von ehren Platz,
Sei mägen all woll nich sich an den Bessenstehl beschmutzen,
Un kein, dei mag woll Stäwel putzen. –

(Zur Braut.)
Doch hier sitt ein, mit dei müggt dat woll gahn,
Dei würr am En'n sich woll doatau vestahn,
Dei kickt ein so vegnäuglich an.
Drüm will ick mi an Sei denn wenn'n
Un birren, wat ick birren kann,
Dat Sei em nehmen unne Ehre Hän'n
Un för em sorgen, as 't am besten,
Un em besorgen siene witten Westen.
Doch hüren möten S', nipping hüren;
Dat Seihn is nich so nöhrig eben,
Wer tau vähl süht, kann vähl Vedruß erleben,
Doch hüren möten S', nipping hüren,
Un horchen möten S' up sien Wurt,
Süs deiht hei Sei as mi schappieren,
Hei löpt Sei, hohl's der Kuckuck, furt.

4. Ein Postillion und ein Stubenmädchen

(Der Postillion tritt zuerst ins Zimmer, das Mädchen folgt.)

Postillion:
Ih, rehr un rehr, un drähn un drähn!
So wat krüpt jo nich up 'n bäwelsten Bähn
As dit Gesing und dit Gedauh.
(Er setzt sich.)

Mädchen:
Laat du sei sing'n un hür hübsch tau.
(Setzt sich ebenfalls.)

Postillion:
Ok dat noch! Du büst gaut tau Weg!
Hür du man tau, du kannst mi glöben,
Sei waren di bald dei Uhren vedöben.
Nee! – Wat tau dull is, is tau dull!
Ick hew noch beide Uhren vull:
Dat eine Lied den ganzen Weg,
Dei ganze Tied
Dat eine Lied,
Dat is en Wesen, na, ick segg!
Dat is üm rein verrückt tau waren;
Doa wad man heil un deil taum Nahren!
Denn süng hei: »Gretelein!«
Denn süng hei: »Will bald frein.«

Mädchen:
Na, hür, denn weit'ck't, denn is't, so woah
As ick hier sitt, en Liebespoa.

Postillion:
Na! Markst du wat? seggt Michel Kohn,
Woräwe du so lang' di schon
Dei ganze Tied den Kopp tebraken,
Dat hew ick gliek herute raken.
Ick weit genau, wo sei all heiten,
En Postillon möt allens weiten.
Dei Brüüjam, dei di so geföll,
Heit N. N., un denn dei Mamsell,
Dei di so schön tau singen weit,
Dei Mamsell N. N. heiten dauhen deiht,
Un denn dei annere Madam,
Dei noch tauletzt ut'n Wagen kam,
Dat wad woll dei Herr Vater wesen,
Un dei lütt Herr mit dei korten Bein
Un mit de Brill up siene Nesen
Un mit dat bunte Mantelfutter,
Das is denn di Frau Mutter.

Mädchen:
Na, so drähn! Ih, du mein!
Du rehrst jo allens kort un klein.

Postillion:
Schweig still! Ick weit woll, wat ick weit,
Ick weit von'n ganzen Kram Bescheid,
Mi geiht so licht kein Wurt verluren,
Ick hew verdeuwelt schlus'ge Uhren,
Ick bün so uhrig als 'ne Imm
Un horch so nipping un venimm,
Dat mi entgeiht kein Wurt, kein Muck,
Wenn ick so sitt up minen Buck.
Doa hew'ck all männ'gen Spaß anhürt,
Vorzüglich wenn'ck Veleiwte führt.

Mädchen:
Von so'ne Streich süst du man schwiegen;
Vähl leiwe schämen süst du di.

Postillion:
Wat ick hew hürt, beholl'ck för mi,
Du sast ok nich tau weiten kriegen.
(Gähnt und reckt sich.)

Mädchen (spöttisch):
Du büst woll mäur? Di schlepert woll en bäten?
Dien Oogen sünd woll kuum noch apen?
Du hest nu lang' naug munte seten,
Nu künnst ok woll en Strämel schlapen.

Postillion:
Wo so? Wo ans? Wat sall dei Schnack bedühren?

Mädchen:
Ick mein man, wiel du süs tau Tieden,
Wenn wi en bäten schnacken mügten,
Hest schnorkt, dat sich dei Balken bögten.

Postillion (gähnt):
Du rehrst herin in't wille Hunnert!
Ick bün hüt Abend upgemuntert.
Mi geiht dat olle Lied man in den Kopp herüm,
Wat dei Mamsell hüt ümme süng,
Ick kann dei Wühr nich recht tausamen finn'n
Un mi nich recht up ehren Text besinn'n.

Mädchen:
Na, kennst du denn dei Melodie?

Postillion:
Dei Melodie? Du meinst dei Melodie?
Ob ick dei Melodie kann blasen?
Dei Melodie, dei kann ick ganz genau.
Ick wills' mal blasen. Hür mal tau!
(Er bläst.)

Mädchen:
Dat Gott erbarm! Wat's dat för ein Getut!
Wat kümmt doa vör Musik herut!

Postillion (gähnt):
Nee! Blasen – nee, blasen kann ick's nich,
Dat hett so siene Schwierigkeiten;
Bi't Blasen, doa verwirrt man sich,
Doch paß mal up, ick will s' mal fläuten.
(Er pfeift die Melodie, wobei er einschläft,
indem das Pfeifen in ein sonores Schnarchen übergeht.
Das Mädchen rüttelt ihn aus dem Schlaf;
sein Schnarchen geht in ein monotones Pfeifen über,
und als er sich ganz ermuntert hat, fragt er.)
Na, kennst du denn dees' Melodie?

Mädchen:
Dei kenn ick akkerinenrat,
Mit dei büst alle Abend p'rat.
Du wist en Brüjam sin? En Schatz von mi?
Un schlöpst bi't Fläuten von 'ne Melodie,
Un schlöpst, so drar du man hest seten,
Un schlöpst up't Pierd, un schlöpst bi't Eten?

Postillion:
Nee, dat's nich woah! Bi't Eten hew'ck nich schlapen,
Doa holl ick stets dei Oogen apen.

Mädchen:
Du wist en Brüjam sin? 'ne Schlapuhl büst!
Staats mi' ne Nachtmütz friegen süst.
Mit dien Getut un dien Gefläut!
Mit dien Gefläut und dien Getut!
Meinst du, dat ick nah grar nich weit,
Wo sich en Brüjam üm dei Bruut
Möt bücken, krupen, wenn'n, dreihn
Un all'ns an ehre Oogen seihn?
Du wist en Brüjam sin? 'ne Nachtmütz büst,
Staats mi 'ne Schlapuhl friegen süst!
Ick süll Postholle sin, ick wull di schön mal wecken,
Bet in dei Tehnen süll di't trecken!
Du seggst, du hest so'n fiene Uhren,
Bi di geiht nich en Wurt verluren?
Un dei Mamsell hahr ümme sungen
Dat eine Lied, bet di dei Uhren klungen,
Un du kannst noch dei Melodie nich blasen?
Denn kannst di sülwst wat blasen laaten
Un kannst des Morgens up dei Straaten
Dei Käuh tau dei Haur tausamen tuten
Un di man säuken ann're Bruuten!
Wat denkt dei Publikus, wenn hei dat hürt,
Wenn hei mit Extrapost mal führt?
Un wat seggt dei Postmeiste, wenn't geschüht,
Dat hei di up den Buck mal schlapen süht?
Wat seggt hei woll tau das Geschlap, tau dat Geblas'?
Hei jögt jo Knall un Fall di weg, du Klas! –
Ick hew dat Lied man einmal hürt so'n bäten,
As ick dei Herrschaft maakt dei Berrn
Un man so'n Oogenblick up't Horchen stünn,
Un will doch nie nich sin en richtig Stubenmäten
Un will doch allens, wat ick hew, vewerrn,
Wenn ick dat Lied nich singen künn.

Postillion:
Hö! Du un singen!

Mädchen:
Na, glöwst du't nich?

Postillion:
Hö! Du un singen!

Mädchen:
Na, glöwst du't würklich nich?

Postillion:
Ih, wat sall'ck glöwen? – Mienentwegen sing
Den Drähnschnack mi noch einmal in dat Trummelfell,
Doch sing mit dat Gefäul as dei Mamsell,
Un möst di ok en bäten zieren
Un möst dei Oogen ok vekiehren.

Mädchen (singt nach der bekannten Melodie):
Schaust so freundlich aus,
    Gretelein!
Nimm den Blumenstrauß,
    Er sei dein.
Bist ein Kind nich mehr,
    Gretelein!
Tust mir eine Ehr,
    Sag nicht nein!
Schaust so freundlich aus,
Schaust so freundlich aus,
    Gretelein!
    Sag nicht nein!

Postillion:
Gott's! Nee! – Na, so'n Schnack!
Bi den'n is't ok nich richtig unner't Dack.

Mädchen:
Denk nur auch, das Herz,
    Gretelein,
Will in Liebesschmerz
    Bei dir sein.
Noch vor einem Jahr,
    Gretelein,
Schlief ich, armer Narr,
    Ruhig ein.
Denk nur auch, das Herz,
Denk nur auch, das Herz,
    Gretelein,
    Will bei dir sein.

Postillion:
Schlief ich, armer Narr, ruhig ein!
Dat kann mi woll gefall'n,
Dat kann ein'n woll gescheihn!

Mädchen:
Doch nun, ach, ist weit,
    Gretelein,
Schlaf und Fröhlichkeit,
    Tanz und Wein.
Lache nicht so laut,
    Gretelein!
Sei hübsch meine Braut,
    Laß dich frei'n.
Sei hübsch meine Braut,
Sei hübsch meine Braut,
    Gretelein,
    Sag nicht nein!

Postillion:
Süh, wenn ick sei wier un du wierst bei,
Un sei wier du un ick wier sei,
Süh, du süst seihn, ick dehr dat nich,
Ick nehm em nich;
Denn dit Gebirr is sicherlich
Vor einen Mann tau jämmerlich.
Un du sast seihn,
Dat wad gescheihn,
Sei seggt noch nein.

Mädchen (singt):
La, la, la...
Un sei seggt ja.

Postillion:
Na, strier un strier!
Wenn ick sei wier...

Mädchen:
Laat mi mit dienen Schnack in Ruh,
Du büst nich sei, und sei nich du.
Doavon will ick di äweführen,
Du sast dat von ehr sülwsten hüren.

(Zur Braut.)
Nicht wahr, mein kleines Gretelein,
Du sagst nicht nein?

5. Rieke un Dürth

(Dienstmädchen des Bräutigams, der, in einer
Stadt wohnend, eine Dame vom Lande heiratet.)

Rieke (mit einem toten Hahn in der Hand):
Oh, Jemine! Dei Hahn is dod!

Dürth (mit einem verdeckten Korbe):
Du leiwer Gott! Du leiwer Gott!

Rieke:
Dat Unglück, ach dat Unglück, Dürth!
Wat seggt dei Herr, wenn hei dat hürt?
Uns' einzigst Veih, uns' einzigst Diert!
Wat wad hei seggen, wat wad dat geben,
Wenn unse Hahn nich mihr an'n Leben!

Dürth:
Ih, laat em seggen, wat hei will;
Wi schwiegen ok am En'n nich still,
Un gnurrt un gnatzt hei ok en bäten,
Hei wad tauletzt uns doch nich fräten,
Taumal doa wi unschüllig sünd.
Doa starwt so männig Minschenkind,
Dat dei Doktors mit latinsche Brocken geliehrt
'rin in dei annere Welt spediert,
Un wenn't dei Dokters deiht passieren,
Kann uns uns' Hahn ok woll krepieren.

Rieke:
Ja, Dürthen, dat is all recht gaut,
Doch möt'ck mi ängsten bet up't Blaut.
Nee, segg doch mal; bedenk doch bloß,
Is nich bi em de Deuwel los,
Wenn man sien Ferremetz anfött,
Wenn hei sien Pittschaft kann nich finn'n,
Un wenn dei Piepen anners stünn'n,
As hei sich't in den Kopp gesett't?
Hei's murrig un knurrig,
Hei öckert un gnöckert,
Hei gnitzt un gnatzt
Den ganzen Dag,
Is sich un ann're Lühr tau Plag.
Ja, Dürthen, dat is ganz gewiß,
Dat hei en ollen Gnurrpott is.

Dürth:
Tauwielen, ja! Dat gew ick tau!
Doch ümme is hei ok nich so.
Tauwielen is hei so manierlich,
So schmäusterlich un so schanierlich,
As man en Mannsminsch weesen kann.
Un wenn'ck em männigmal mi kek so an,
Dehr dei Gedank tau Kopp mi stigen:
Hei künn vielleicht von uns ein friegen. –
Ja, schönen Dank! Dei Saak was Essig!
Vörgistern Abend reep hei mi,
Un mit uns' Bruutschaft was't vebi:
    »Hör, Dörthe, du bist zuverlässig.
    Wenn dessen ich nicht sicher wäre«,
    Sähr'e,
    »Ich würd' es dir gewiß nicht sagen.
    Ich fühl' im Herzen eine Leere«,
    Sähr'e,
    »Die kann ich länger nicht ertragen.«
Nu kümmt doa wat, nu meint hei di!
Nu geiht dat los, dacht ick bi mi,
Maakt Oogen as 'ne Ent, wenn't dunnert.
Hei schient doaräwe sihr vewunnert,
Un sprök alsdann tau mi:
    »Ja, liebe Dörthe, ich will frei'n.
    Das Mädchen, welches ich verehre«,
    Sähr'e,
    »Ist schön, ist sauber und stets fein;
    Ein sittsam Mädchen ist's, auf Ehre«,
    Sähr'e,
    »Un höllisch auf die Rendlichkeit,
    Drum gebe ich dir diese Lehre«,
    Sähr'e,
    »Befleiß'ge dich der Rendlichkeit,
    Denn hör' ich, daß sie sich beschwere«,
    Sähr'e,
    »Sind wir geschiedne Leut!«
Doa güng hei hen, nu fläut em nah!
Ick stünn as Botte an dei Sünn
Un wunnert mi, dat ick noch stünn,
Dat ick nich in dei Ahnmacht sackt,
So hahr mi dese Nahricht packt.

Rieke:
Na, sühst du woll, dat sähr ick jo,
Wenn in dei Letzt hei ümme so
Vedutzt, vedäst herümme güng,
Dat dat mit em nich richtig stünn.
Den Herrn N. N. sien hübsche Schweste,
Dei leggt nu nahsten in uns're Neste,
Dei meint hei mit dei Sittsamkeit
Un mit dei groote Rendlichkeit.
Ach wier'n wi doch mit heile Hut
Man ierst ut desen Huus' herut!
Wi hahrn uns nu all beir en bäten
Recht schön up unsen Pelz gefräten,
Du sast man seihn! Du wast't erleben,
Dei wad uns dei Botte up't Brod nich geben!
Dei olle Tied, dei kümmt nich werre,
Ut uns're Hut schnitt sei sich Lerre.

Dürth:
Du dumme Trin! Wat föllt di in?
So schlimm wad't nich, as man sich't denkt;
Sei wad gewiß so bös nich sin,
Süs hahr hei ehr sien Hart nich schenkt.
Wenn wi man gaut sünd, is sei gaut,
Drum lustig tau mit frischem Maut!
Wie möten't Leben sacht ehr maaken;
Sei lett up't Land so vähle Saaken
As Gras un Loof un gräune Wisch,
Un Bööm un Luft un Sünnenschien,
Süll dat vör ehr veloren sien?
Hier in dei Stadt, doa find't sei't nich,
Wenn nich up unse Angesicht;
In't Minschenoog, wenn't woll geföllt,
Doa speigelt sich dei ganze Welt.

Rieke:
Ja, ja, mien Dochte, du hest recht!
Dei ganze N. N.sch Oart is echt.
Doch lett sei up dat Land, mien Kind,
Noch Saaken, dei s' bi uns nich find't,
Dei Ossen, Pier, dei Schwien un Käuh,
Dei Enten, Gäus' un all dat Veih.
Wer an dat Veih sich hett gewen'nt,
Nicks Beters in dei Welt mihr kennt.

Dürth:
Ih, wat! Wi hebben jo unsen Hahn.

Rieke:
Dei Hahn is dod!

Dürth:
Du leiwe Gott!

Rieke:
Na, hür mal, Dürthen, weitst du wat?
Wi hebbn jo äwest noch dei Katt!
Süh, wenn sei sich mit em hett schnurrt
Un wenn sei brummig is un knurrt,
Denn bringen wie ehr unsre Katt!

Dürth:
Denn bringen wi ehr unsre Katt!

Rieke:
Un wenn sei truurig is un weint
Un sich so recht velaaten meint,
Denn bringen wi ehr unsre Katt!

Dürth:
Denn bringen wi ehr unsre Katt!

Rieke un Dürth (die eine Katze
aus dem Korbe nimmt):

Hier is dei Katt! Hier is dei Katt!
Dei schöne Katt! Dei leiwe Katt!
Frau N. N., seggen S', is dat nich wat?

6. Ein Kindermädchen

(von einer jungen Dame vorgestellt,
mit einem Kinde von 8 bis 10 Jahren.)

Die Kleine läuft in den Kreis der Gäste hinein;
das Mädchen erhascht sie beim Rock.

Mädchen:
Nu seiht dat Ding! – Wo wist du hen?
Is dat en Loopen un ein Gerönn!
Bald hier, bald doa, bald buten un bald binnen,
Bald sitt s' mi vörn, bald sitt s' mi hinnen,
Bald up den Hof, bald in den Gohren.
Ach Gott! Ach Gott! Dat Kinnewohren!

Die Kleine:
Ja, aber Hanne, Mutter hat gesagt,
Ich sollte frei herein hier treten.

Mädchen:
Ach Gott! Dien Mutte! Dat sie Gott geklagt!
Versteiht dei ok woll man en bäten,
Wat sich hier schickt un wat sich paßt?
Ach, Kinne sünd ne wohre Last!

Die Kleine:
Ja, aber Hanne, meine Mutter sagte mir,
Ich sollte mich dreist nur zeigen hier
Und in die Augen gucken jedem
Und frei nur von der Leber reden.
So wird es wohl am besten sein,
Denn meine Mutter ist so fein...

Mädchen:
Je nu, süh, kiek, nu seih mal ein!
As wenn ick ok vielleicht nich wüßt,
Wo man sich hier bedragen müßt?
O nee, mien Döchting, nee! Ick weit
Ok mit dei Höflichkeit Bescheid.
Nee! Ick bün ok nich in'n Däs':
Süh, ierst kümmst bi un putzt di hübsch dei Näs'.
(Sie verrichtet dies Geschäft bei der Kleinen.)
Un denn, denn maakst du deipen Knicks.
(Das Mädchen macht alles vor,
die Kleine macht es nach.)

Süh so! – Un so! – Un noch einmal!
Un kiehrst di süs an wiere nicks
Un schleist dei Oogen up dei Schört hendal!
(Die Kleine tut nach der Vorschrift.)
As wenn du vör Velegenheit nich wüßt,
Wat tau dei Bruut du seggen süst.
Un wenn du dat hest dahn, un wenn du denn
Mit dese Anstalt fahrig büst,
Denn geihst du nah dei Bruutlühr hen.
(Sie geht mit niedergeschlagenen Augen
statt zum Bräutigam auf den Vater
und die Mutter der Braut los.)

Die Kleine:
O Hanne, sag, bist du denn ganz verrückt?
Du sagst, du wüßtest, was sich schickt
Un was sich paßt, und siehe da!
Du gehst ja zu der Braut Papa,
Als wenn der heut noch Bräutjam wär!

Mädchen:
Bün ick denn schuld, du dummes Jöhr!
Wat stellt hei sich denn vör mi her?
Wat süht hei denn so jung noch ut?
Un sine Fru, as wier s' noch Bruut?
Nee, kiek, wo s' beir noch nüdlich laaten
Un sich so in dei Oogen faaten
Un mit enanne noch so schmüstern,
Doa möt de Deuwel jo vebiestern.

Die Kleine:
Ach Hanne, sei doch nicht so dumm!
So guck doch mal um dich herum.
Kopf in die Höh und aufgeschaut!
Sieh, Tante N. N. ist die Braut.
Dort sitzt sie auf dem Verwunderungsplatz,
Und neben ihr ihr süßer Schatz.

Mädchen:
Ih, rehr und drähn. Un schnack un dauh!
Dien Tanten N. N. wad nich friegen;
Dei is noch vähl tau jung doatau.
Wenn so'n Oart ok all friegen deiht,
Denn müst'ck nah grar ok einen kriegen.

Die Kleine:
Ei was! Mit dir hat es noch Zeit,
Du kriegst noch früh genug en Mann.
Komm jetzt nur zu der Braut heran,
Und laß uns keine Zeit verlieren,
Wir wollen hübsch ihr gratulieren.

(Zur Braut.)
Ach Tante N. N., ich bin so froh,
Dich hier als Braut heute sitzen zu sehn.
Ach, glaub es mir, Tante, ich freue mich so!
So ist es recht, so ist es schön!

Mädchen:
Ja, freuen dauhn w' uns goa tau sihr,
Ja, freuen dauhn w' uns all tausamen,
Un freuen dehrn w' uns noch vähl mihr,
Hahrn Sei sich nich so'n Lütten nahmen.

Die Kleine:
Ach, Hanne, was sagst du? Er ist ja so nett,
Er ist ja so niedlich, oh, sieh ihn nur an!
Wenn ich bei dem Freien die Auswahl einst hätt,
Ich nähme noch einen viel kleineren Mann.

Mädchen:
Ick glöw benah, dat kreegst du t'recht!
Ja, Kind, ick will't wahrhaftig glöben!
Doch oll Josephy tau Stemhagen seggt:
Na, will'n man noch en bäten töben.

Die Kleine:
Ach Hanne, du sagtest, du weißt, was sich schickt,
Und hast hier verlegen nur um dich geblickt.
Sieh mich doch einmal, ich weiß, wie es muß,
Ich gebe dem Bräutigam dreist einen Kuß.
(Küßt den Bräutigam.)

Mädchen:
Küßt du den Brüjam, küß ick dei Bruut,
Dei süht doch noch vähl schmucke ut.
Doch, Kind, laat du dat Küssen sin!
In't Küssen sünd s' uns äwelegen,
Sei hebb'n 'ne Meisteschaft doarin,
Sei waren uns're Küss' nich mägen.
Uns' Küss', dei stimm'n noch nich so recht,
Sei beir, sei kriegens s' säute t'recht.
Drüm will'n wi uns man sachten drücken,
Dei Hanne weit, wat sich deiht schicken.

7. Ein Schäferknecht mit seinem Hund

Wo Dunner! Nee! Is dit en Kram!
Ick bün schier as en Hund so lahm;
Möt hier in'n Lan'n herümme rennen,
Wo ick kein Minschenkind dauh kennen.
Oll N. N. hett mi as Scheepeknecht
Tau N. N. meint, is dat denn recht,
Dat hei mi hier herümme schicken deiht,
Wo ick kein Weg un Steg nich weit? –
Je, Venus, wo geföllt di dat?
Bi't Schaapveih dehr'n wi uns vemeiren.
Wo? Nennt hei dat denn Hamelhäuren?
Möt hier herüm von Stadt tau Stadt
In'n frömmen Lan'n herümme däsen.
Na, nee! Ick segg'! Wat is't vör Wesen!
Den ganzen Dag in einen furt
War rümm ick hitzt von Urt tau Urt.
Denn röpt dei oll Herr: Krischan, Krischan!
Du möst mal nah dei Fahlen gahn.
Denn röpt dei jung' Herr: Krischan, Krischan!
Du möst mal 'runne nah dei Wisch gahn.
Denn kümmt dei Schriewe: Schaapskopp, hew ich di nich seggt,
Du sast dei Räck' mi binnen t'recht?
Denn kümmt dei Stubendiern un röpt mi: Scheepe!
Kumm 'rin, doa is en Hamelköpe.
Denn kümmt dei Käksch: Krischan, Krischäning!
Kumm hier mal her, mien leiwes Sähning,
Un gah mal nah den Achtegohrn
Un hahl mi mal, ick weit nich wat! –
Ick möt tauletzt noch Kinne wohren.
Je, Venus, wo geföllt di dat?
Wenn du so rümme loopen süst
In einen furt, in einen Aten,
Wenn du so Kinne wohren müßt,
Du süst den Staart woll hängen laaten. –
Nu hew'ck en annern Updrag kreegen,
Wat deiht der Deuwel för Schauh vedreegen!
Nu birr ick einen üm Duusend Pund!
Nu sall ick hier mit mienen Hund
Vör all dei Damen un all dei Herrn
So'n Deuwels hochdütsch Riemels berr'n;
Denn uns' jung' Herr, dei sall hüt friegen.
Dat is üm rein dat Dreihn tau kriegen!
Dat sünd doch ganz vedreihte Saaken!
Je, Venus, kumm! Wat will'n wi maaken?
Wi will'n uns nich besinnen lang'.
Kumm, Venus, du kümmst ok mit mang,
Du hättst all männig Land betrehren
(Bei Seite.)
Nu sall'ck all »Du« tau mienen Herrn rehren –
Un hättst all männig Mäken seihn,
Doch so'ne schön, as wie die ein,
Die bei dir sitten dauhen duht,
Ganz liekster Welt as Milch un Blut,
So'n hättst mendag noch nich geseihn.
Kiek sie dir an; ganz nüdlich lett sei,
Un ganz kaptale Oogen hett sei,
Sei kickt dir mit ehr Oogen an –
Mit ehr Oogen an! – Ja, dat's gewiß:
Sei kickt dir mit ehr Oogen an!
So, nu is't schön, nu sitt ick wiß!
Ick weit doch nich, wo't mäglich is!
Dit is denn würklich mal en Stück!
Na, täuwt doch man en Oogenblick! –
    Sei kickt dir mit ehr Oogen an.
    So'n Oogen hett nich jereman,
    Sei sein so blank un sein so kloa
Na, seggt mal bloß, is dat nich woah?
    Un derentwegen un von dessen
    Sollst du's mendag ok nich vergessen –
    Sollst du's mendag ok nich vergessen –
Je, äwerst ick, ick hewt vegeten;
Ick hewt vegeten, dat's gewiß –
Na, ierst dunn kehm noch wat von »Mäten«
Un dunn, dunn kehm noch wat von »Küss'«,
Un dunn – und dunn –. Ick hewt woll seggt,
Ick fünn mit den'n verdammten Kram nich t'recht,
Wo ick nu up den Leim hier sitt!
Nee, Venus, nee! Wo geiht uns dit!
Wenn du mi man den Anfang sährst! –
Je, dei oll Hund, dei is so dumm,
Dei is so dämlich schier up Stährs,
Dat ick mi schäm' an siene Seel! –
Dat helpt mi nicks, dat ick mi quäl,
Ick bring kein Riemels mihr herut,
Mit mien Latein, doa is dat ut. –
Ji holl't uns woll för gruuglich dumm?
Ja woll! Ji lacht, ji stöt't jug an.
Ja, lach ji man! Kumm, Venus, kumm! –
Wi will'n mal seihn, ja lach ji man!,
Wer Schaap am besten häuren kann.

8. Zwei kleine Mädchen,

von denen die eine einen Korb mit Eiern
die andere einen mit Birnen bringt.

(Ins Zimmer tretend.)
Anna:
Süh, kiek! Doa sitt dei Brüüjam!

Louise:
Un kiek. Doa sitt dei Bruut!
Un süh! Wo schmucking süht dat ut!
(Sie treten näher.)

Anna:
Gu'n Abend, miene Herrn.

Louise:
Gu'n Abend, miene Damen.
Wi beir sünd ok nah N. N. kamen,
Uns ok mit in den Saal tau schlieken
Un uns dat Poa mal tau bekieken.

Anna:
Un denn so nebenbie,
Doa dachten wieder
Mit einen von dei schönen Herrn
En Walze morgen aftauperrn.

Louise:
Seiht, sähr uns' Vahre, Dierns, hürt!
Wenn ji jug so bi't Danzen führt,
Dat ji jug in dei Ecken drückt
Un doa mi Peitessillen plückt,
Wenn ann're lustig rümme danzen,
Ji kennt mi woll, ick war jug schön kuranzen.

Anna:
Lawieschen, hei vestellt sich man!

(Zur Gesellschaft.)
Hei is en rechten gauren Mann,
Mit den'n man woll utkamen kann,
Natürlich steckt dei Bua doarin,
Un doa kann dat nich anners sin,
Dat hei uns fohrt en bäten an,
En Bua, dat is kein Eddelmann!

Louise:
Dat seggst du woll! Dat seggst du woll!
Hei is goa wunderlich, dei Oll.
Ick dans', ick dans' intwei dei Sahlen,
Un sünd s' intwei, kann hei s' betahlen.

Anna:
Ih! Dat wier mi denn ok ganz recht!
Doch dat is goa tau licht geseggt.
Wenn keine kümmt, üm di tau halen,
Denn blieben heil un ganz dei Sahlen,
Un geiht dat nich nah Vahres Kopp,
Denn maakt hei uns en richtigen Zopp.

Louise:
Na nu, na nu! Man nich den Kopp velieren!
Dei Saak, dei sall sich lieke woll regieren.
Wi birren hier dat schmucke Poa,
Denn is gliek allens klipp un kloa,
Giw du die Eia, ick mien Beeren,
Sei warn uns' Birr uns woll gewähren,
Sei känen äwe allns befehlen
Un unne all dei Herren wählen,
Sei hebb'n sei all hüt an den Strick,
Behöllt die Bruut dei Groten ok för sick.

(Zum Paar.)
So will ick birren, wat ick kann:
Oh, schicken S' mi doch af un an
Bloß einen von dei lütten,
Süs bliew ick sitten.
Du, schmuckes Poa!
Nich woah?
Mi ok en poa.

9. Vorspiel

(Eine überschwengliche, himmlischen Unsinn redende Erzieherin und eine derbe Wirtschaftsmamsell. – Es kann dies Vorspiel zu dem Verschenken eines Kaffee- und Teeservice benutzt werden; nötig ist es nicht, wo denn aber für Kaffee und Tee auf einem Nebentische gesorgt sein muß.)

Erzieherin:
O wunderliebliche Gestaltung,
Wenn der Gedankenflug in ernster Haltung
Sich über Wolken, über Sterne schwingt
Und durch das All, durch alle Himmel dringt;
Wenn in der mannigfaltigsten Entfaltung
Er sich wie Epheu um die Geister schlingt
Fern von der Menschen albernem Geplärre.

Wirtschafterin:
Ach Gott! Nu hett sei't werre.

Erzieherin:
Wenn Berg und Tal zurückgelassen
Im Nebel fern der Erde liegt
Und unser Lieben, unser Hassen
Sich nur an an'dre Welten schmiegt,
Dann dehnt das Herz sich in die Breite,
Die Seele in die Länge aus,
Und aller Welten weitste Weite,
Die wird uns dann zum Vaterhaus.

Wirtschafterin:
Mien leiwes Frölen, hollen S' still!
Mi wad so blümerant tau Sinn,
Wenn ick mit Sei ok giern fleigen will,
So fäuhl ick doch, dat ick tau schwer von Körpe bün.

Erzieherin:
Oh, fliege mit mir durch die Himmelsferne,
Streb zu dem Äther auf mit leichtem Flügelschlag,
Begrüß mit mir die ew'gen goldnen Sterne,
Und zieh dem Flug der Wolken nach!
Dort ist ein himmlisch Weilen, selig Bleiben.
Oh, flieh der Erde schnödes Treiben
Mit ihren Dörfern, ihren Städten...

Wirtschafterin:
Un laat uns up den Mahn tau Abend eten.

Erzieherin:
O Mond, o süßer Mond,
O Mond, bist du bewohnt?
O Mond, dringt denn dein Licht
In aller Herzen nicht?
O Mond, der nächtlich thront,
O goldner, süßer Mond!
Schon als kleines Kind,
So still und fromm gesinnt,
Da dacht ich mir...

Wirtschafterin:
Dat hei en Eiekauken wier! –
Nu ritt dat ut; nu is't dei höchste Tied,
Dat gegen desen Raptus wat geschüht.
Is gaut, dat ick en Mittel weit,
Wat dese Dullheit endlich stürt.
Wenn sei up kein vernünftig Wurt mihr hürt,
Denn stillt dei Tee dei Schwärmigkeit.
(Sie hat während der Rede Tee eingeschenkt
und bringt ihn der Erzieherin.)

Erzieherin:
O Mond, o süßer Mond,
O Mond, wenn ich dich seh!...

Wirtschafterin (ihr laut in die Ohren schreiend):
Mien leiwes Frölen, hier is Tee!

Erzieherin:
Wo ich auch weil, wo ich auch geh,
Der Ruf zieht mich zur Erde nieder.
Wenn ich vor mir gefüllet seh
Die Tasse mit dem Haysantee,
Der Himmel flieht, die Erde hat mich wieder.

Wirtschafterin:
Na, dat's man schön! – Nu segg'n Sei mal, wo is denn dat
Mit unsre Pulterabend-Angelegenheit?
Ick mücht giern weiten, wo dat steiht,
Un wad denn ut den Kram noch wat?

Erzieherin:
Ja wohl! – Die Sache ist bereit.
Ich eil, das Nöt'ge zu besorgen.
Die Hochzeit ist ja schon auf morgen;
Es ist die allerhöchste Zeit.
(Geht ab.)

Wirtschafterin (zum Publikum):
Is schaar! Is würklich taum Beduurn,
Dat sei tauwielen kriegt so'n Tuurn,
Wo sei denn allens kann vegeten,
Is süs so'n schmuckes, nettes Mäten.
Dat Teegeklatsch, dat hett sei so veschraben,
Dat sei dei Minschen un dei Ier veracht't,
Dat sei dei Oogen kiehrt nah baben
Un stets nah Mahn un Heben tracht't. –
Wer drinkt denn Tee? Dat lawwrige Gedränk!
Wenn't Koffee wier, dat lat'ck mi noch gefallen.
(Sie schenkt sich Kaffee ein und trinkt
mit Wohlbehagen in einzelnen Absätzen.)

Ick lawe mi 'ne dücht'ge Koffeeschenk,
Denn Koffee deiht bekamen allen.
Tee? Nee! – Pfui! gaht mi mit den Tee!
Tee? Nee! – Koffee is mien Leben.
Ick dank för jugen Tee! – Nee!
Wer mi traktieren will, dei möt mi Koffee geben.
Den Tee, den'n kann der Kuckuck hahlen.
Doch Koffee! – Ach, dei schmeckt, un dei maakt warm,
Del glitt so sacht dei Seel hendalen,
Un is 'ne Medizin för Rieck un Arm.
Mi wad so wunderlich tau Sinn,
Mi wad so lustig, wad so licht,
Mi is, as ob ick all in'n Himmel bün;
Ick künn nu Riemels maaken un Gedicht'. –
Un denn? – Worüm nich? – Is all einerlei! –
Ick will dat ok mal eins probieren,
Ick will ok mal so as sei,
Ok mal en bäten phantasieren.
(Indem sie die Manieren der Erzieherin
nachzuäffen sucht und gewaltig übersinnlich
auszusehen sich bestrebt..)

Flüchten möcht ich jetzund haben,
Möchte fliegen, fliegen, fliegen,
Immer fort un fort nach baben,
Oder auf das Sopha liegen.

Auf das Sopha möcht ich liegen,
In den Koffee möcht ich stippen,
Oder fliegen möcht ich, fliegen,
Bunte Flüchten an den Rippen.

Stippen möcht ich, Kuchen stippen,
Mondschein möcht ich gern und Sterne,
Aus der Koffeetasse nippen
Möcht ich, ach! und himmeln gerne.

Himmeln möcht ich, nichts als himmeln,
Alles um mich her vergessen,
Wo die goldnen Sterne wimmeln,
Möcht ich wohl mal Kuchen essen.

Möcht ich wohl mal Kuchen essen,
Möcht ich wohl mal Kaffee trinken,
Alles um mich her vergessen
Und im Mondschein ganz versinken.

Und in Mondschein ganz versunken,
Möcht ich Liebespärchen schauen,
Wie sie hold sich zugewunken,
Möchte selig dort verdauen.

(Von jetzt ab spricht sie natürlich,
indem sie weiter vortritt.)

Wie ist der Gedanke labend:
Meine Wünsche sind nicht nichtig,
Heute ist es Polterabend,
Liebespärchen ist ansichtig.

Goldne Sterne sind die Damen,
Mondschein bieten alle Herrn,
Selbst den Steifen und den Lahmen
Leiht Musik die Flügel gern.

Gebt mir nun doch Kaffee! Kuchen!
Und, mein Himmel, er ist fertig!
Jetzt muß ich die Freundin suchen.
Seid der Rückkehr hold gewärtig. (Ab.)

10. Hanne un Fieken

(Als Gärtnerinnen oder Vierländerinnen.)

Hanne (mit einem Kohlkopf im Korbe):
Na? Hest all Geld innahmen?

Fieken (mit einem Kürbis):
Ih, Gott bewohr! Kein Minsch will köpen.
Ick bün tau den'n un jenen kamen,
Un keine will mien Körbsen köpen.

Hanne:
So geiht't mi akkerinnenrat;
Mien Kohlköpp drag ick bloß tum Staat.
Sei hebb'n dat Lief vull Cholera,
Den Kopp so vull von Poletik,
Dat ick nah'n Handel nicks frag nah.
Ick gah nah Huus; kumm mit mi, Fiek!

Fieken:
Dei Cholera, dei scheert mi nich,
Dei Poletik stickt vähl mihr an;
Un dat is würklich fürchterlich!
Wat seggst von mi? Ick hew mit hött
Un müßt tauletzt doch ok mi 'ran.
Doa stah ick letzt in mienen Gohren,
Dei rechte Hand an dienen stött,
Un dauh doa miene Körbsen wohren.
As ick dei Dinge ranken segg,
Wo sei sich breirtern alleweeg,
Dunn kehm't mi plötzlich in den Sinn:
Dat möten Bürokraten sin!
Lütt is ehr Anfang, ganz bescheiren,
As so'n Kamehl von'n Registrater
Un so'n lütt Diert von'n Auskultater;
Denn äwer fang'n sei an sich uttaubreiren;
Sei bücken sich, sei drücken sich,
Sei schlingen sich, sei winnen sich;
Dat schlüpt un krüpt,
Dat jankt un rankt,
Dat reckt un streckt
Sich ümme furt,
Bet dat tauletzt den ganzen Urt
Mit siene Ranken äwerückt
Un all dei Planten unnedrückt.
Un wenn dei Blaumen sei veloren,
Denn waren sei tau Assessoren.
Ierst sünd sei gräun, verfluchten gräun,
Denn nahsten farben sei sich golden,
Dat heit bi ehr denn »gut besolden«,
Un duurt nich lang', denn kannst du seihn,
Wo sich dei lütten Bürokraten
Vepuppen in grote Aristokraten.
Denn is mit ehr nich mihr tau spaßen,
Denn fang'n sei an sich uptaublasen,
Sei waren dick un ümme dicke
Un waren utveschamte Stücke
Un drängen allens ut en Weg'.
Un wenn dat dicht vör'n Platzen steiht
In seiner Aewernäsigkeit,
Denn so ein großes dickes Beist
Zuletzten noch »Minister« heißt.

Hanne:
Wat sall ick von dien Körbsen hüren!
Du hest woll recht! Ick will dat nich bestrieren,
Wenn du seggst, sei sünd Bürokraten.
Doch miene Kohlköpp dauhn ok wat bedühren:
Dat sünd dei richt'gen Demokraten.
So'n Feld vull Kohlköpp kiek di an,
Wo sei sich drängen Mann an Mann,
So kruus un bunt, so breit un patzig,
So upsternatsch, so äwemastig,
Denn fohrt di't siche dörch den Sinn:
Dat möt 'ne Volksversammlung sin.
Dei ein is bruun, dei anne blaag,
As wier all follen männig Schlag,
Dei weck, dei laaten rot, as wieren s' bläurig,
Un alltausam sünd äwemäurig;
En fienen, blaagen Stoff liggt up dei Bläre,
As wier von ehr benebelt jere.
Doa steiht en Dickkopp, wichtig un breitspurig;
Doa steiht en Spitzkopp, witzig un schluusuhrig;
Dei weck, dei sünd man bulsterig,
Un weck sünd ok man schludderig.
Drüm sühst du 'n grotes Kohlkoppfeld,
So paßt di allens liekster Welt
In Hauptsaak un in Nebensaaken
Up 'ne Versammlung grar von Demokraten;
Denn doa is't ümme ok so west:
Dei dickste Kopp, dat is dei best.

Fieken:
Nu wes' man still mit diene Witzen!
Wat sall di ok dat Schnacken nützen,
Wenn s' di mit dienen Demokraten,
Ahn em tau köpen, sitten laaten?
Denn dat is doch woll ganz bestimmt,
Dat keine Minschenseel em nimmt.
Beir du em ut as suures Bier,
Dei Demokraten gell'n nicks mihr.

Hanne:
Un diene Körbs, so vähl ick rehren kann,
Bringst du woll ok nich an den Mann.
Sei is tau nicks as Grütt tau bruuken,
Un wer mag Grütt von Bürokraten schluuken?
Ehr Grütt un Weisheit hüret tau dei schlimmen,
Un wer tau vähl von ett, dei kriegt dat Grimmen.

Fieken:
Wat säl'n w' uns denn mit rümme drägen
Un uns tau'n Nahrn noch länge maaken!
Hebb'n wi s' bet jetzt veköfft nich kreegen,
Denn bliew' w' ok sitten mit uns' Saaken.
Denn kumm! Denn will w' uns nich bedenken,
Denn will wi s' leiwe man veschenken.
(Gibt den Kürbis an den Bräutigam.)

Nimm dei Körbs taum Oogenspeigel,
Nimm sei tau dien Oogenmark!
Lütt is ehr Beginn un Anfang,
Un ehr En'n is vull un stark.

Jere Huus, dat Glück sall führen,
Fängt mit Kleinen sorgsam an,
Aewe in dei spärern Tieren
Dehnt un breirt sick ut dei Mann.

Morgen früh gah nah den Goahren,
Seih di mal dei Körbsen an,
Un du wast gewiß gewoahren:
Frucht un Blaum un Blatt is dran.

Nich bloß Blaumen, nich bloß Bläre,
Nich bloß Frücht' un luute Frücht',
Nee! – Sei sitten wesselnd jere
An dei Ranken vull und dicht.

Frucht bringt Arbeit, Frucht bringt Wagen;
Blaumen, sei bedüren Freud',
Gräune Bläre Wollbehagen,
Un dei Rank is Hüüslichkeit.

Dei holl wiß nah allen Kräften,
Dei holl wiß, süs büst veweiht,
As tau Freud', so tau Geschäften
Gift di Lust dei Hüüslichkeit.

Tied hest hatt, di uttaurasen;
Schwietisieren is nu ut.
Häur di ok, di uptaublasen,
Häur di vör den Aewemut.

Wohlstand is en Schatz up Ieren;
Aeweriek maakt grotes Muhl.
Süh, dei Körbs kann di beliehren:
Aeweriep, denn wad sei fuhl.

Ach, wo würr ick mi doch schämen,
Wo mi dat tau Herzen nehmen,
Wo würr'ck weinen, wo würr'ck huhlen,
Wenn dat heit von jeremann;
Kiekt den rieken, kiekt den fuhlen,
Kiekt den rieken N. N. an.

Hanne
(mit dem Kohlkopfe, dessen Blätter sie beim
zweiten Verse eins nach dem andern abschält,
bis die Herzpolle übrigbleibt, die sie am Schluß
des Gedichts der Braut überreicht):

Mit einen Kohlkopp kam ick angedragen,
Ein wunderlich, ein appeldwatsch Geschenk.
»Wat sall ick mit den Kopp?« so kannst du fragen,
Ick antwurt di: »Mien leiwes Kind, bedenk,
Dat jere Pott in desen wunderlichen Dagen
Ok find't sien passend wunderliches Henk
Un dat up Stunns dei Köpp sünd von Bedüren,
Un wenn dat ok man gräune Kohlköpp wieren.

Kiek desen an! Kiek, wo de gräunen Bläre
Sich falten un sich äwernanne reihn,
Wo sei den Schutz vör Regen, Wind un Weere
Sich eins dat anne laaten angedeihn;
Un ümme bet nah binnen wad ein jere
Stets reinliche un zorte antauseihn,
Bet sei tauletzt dei Hartpoll dicht ümgeben,
Dat allerbindelste un deipste Leben.

So sall dei Huusfru sin tau allen Tieren,
Ehr Dugend un ehr Schönheit wes' vesteckt,
Sei sall sei nich dei Welt vör Oogen führen,
Dörch ann're Dugend wes' sei hübsch vedeckt:
Bescheidenheit un Demut sall sei zieren,
Dei Leiw un Achtung ehr bi jeren weckt,
Un in dat bindelst Hart sall sei veschluten
Den reinen Fruugenssinn, den stillen, truuten.

Veracht nich mien Geschenk, wiel dat nich zierlich,
Nimm an sien Utseihn di kein Argenis:
Wo männigein is buten unmanierlich,
Von den'n sien Hart doch rein un kräftig is.
Vielleicht schient ok mien Rat di ungebührlich,
Doch is hei gaut un wollgemeint gewiß:
Kiek up dei Butenbläre ok bi keinen,
Kiek up dei Hartpoll stets von jereeinen!

Fieken:
Geliebter Vetter, liebliche Cousine!
Ich wollt, mein Kürbis würd' zur Apfelsine
Un jener Kohlkopf würd' zur Ananas
Und unser Stoppelfeld beschiene
Ein goldner Himmel, der uns was
Von Tempes Tal und Attika erzählte
Und Pommern so mit Griechenland vermählte.
Ich wollt', Armidens Gärten lachten
Euch stets mit Blum' und Frucht entgegen,
Ich wollt', daß sie euch trunken machten
Und trieben euer Herz zu raschern Schlägen;
Ich wollte, daß ihr schwämmt im Licht der Sonne,
So ungestört in einem Meer voll Wonne,
Ihr Lieben beide, du mit deiner Puppe,
Wie zwo Fettaugen auf des Bettlers Suppe.
Doch da in diesem Jammertal hienieden
Ein solches Los noch keinem ist beschieden
Und trübe Tage sich an heitre reihn,
So möcht' es wohl nicht überflüssig sein,
Euch einen Regenschirm für trübe Tag' zu leihn.
Ein solcher Regenschirm ist dieser gute Rat:
»Bewahret euer Haus vor Politik.«
Bedenk, er wäre Autokrat,
Un du, du wärst für Republik,
Wenn sie sich um den Fall von Kossuth härmte
Und er für Schwager Niklas schwärmte
Und für den Metternich daneben
Und wenn aus seinem Mund das Preußenlied erklänge,
Sie »Schleswig-Holstein meerumschlungen« sänge,
Was würd' das für ein'n Eh'stand geben! –
Und wenn trotz meines guten Rats
Euch doch einmal ein tücht'ger Platz-
Regen auseinander hat getrieben
Und an der Wimper Tropfen hängen blieben,
Wenn statt des frühern »meerumschlungen«
Die Leut' »nicht mehr umschlungen« sungen,
Dann geht in eure einsam stille Kammer
Und trocknet dort den Eh'standsjammer
Und denkt, daß euren Eh'standsbanden
Es geht wie unsern deutschen Landen,
Die auch nur haben ihre Kammern,
Um ihre Torheit zu bejammern
Und mit Verfassungsoktroyierungen
Als Schnupftuch ihre Tränen abzuwischen,
Gereicht von den Regierungen,
Gewoben an Ministertischen.
Bedenkt, daß frei ihr nicht mehr wählen könnt,
Daß ein Assoziationsgesetz euch oktroyiert
Und das Pantoffelregiment,
Wo einer unumschränkt regiert,
Zur Rebellion hinüberführt.
Vereinbart euch, so gut ihr könnt –
Und denkt an euren Bundestag
Und an sein sanftes, sel'ges End,
Wo eins dem andern fest versprach:
Nie sollt sein Lieben je erkalten! –
Und sein Versprechen soll man halten.

Hanne:
Sucht nicht den Himmel über euch,
Sucht ihn in eigner Brust,
Sucht ihn nicht überm Sternenreich;
Ihr findet seine Lust,
Ihr findet seine Seligkeit
Auch auf dem Erdenrund;
Auch hier in der Vergänglichkeit
Sind seine Wunder kund.

Tritt an den Baum voll Blütenpracht,
Tritt in des Waldes Grün,
Schau auf in stiller Sternennacht,
Sieh, wie die Wolken zieh'n;
Auch Wolkenzug und Waldeslust
Dich ziehet himmelwärts,
Und stiller wird's in deiner Brust,
Und heilig wird dein Herz.

Tritt an den Bach, tritt an den See,
Er rauscht dein Herz in Ruh;
Blick auf zu jener lichten Höh',
Der Himmel lacht dir zu.
Dein Auge schaut verzaubert drein,
Das Ohr lauscht süßem Klang,
Es singt Natur so voll und rein
Den starken Zaubersang.

Wohl mancher geht an Wald und Flur
So stumpf und dumpf vorbei,
Es rührt ihn nichts, er fraget nur,
Was das für Klingen sei.
Doch der, dem's Herz vor Freuden schlägt,
Dem's ist vor Leiden bang,
Der in der Seele Liebe pflegt,
Der horchet auf den Sang.

Der süße Sang umkreiset ihn
Und schlingt um ihn sein Band,
Er ziehet ihn, er reißet ihn
Fort in sein Zauberland.
Dort ist kein Kummer, der ihn weckt,
Die Klage, sie ist stumm;
Dort ruht er ringsum zugedeckt
Mit Blumen um und um.

Sucht nicht den Himmel über euch,
Sucht ihn in eigner Brust,
Sucht ihn nicht überm Sternenreich;
Ihr findet seine Lust,
Ihr findet seine Seligkeit,
Und, wenn euch sonst nichts blieb,
Ihr find't sein tiefes, sel'ges Leid
Im Herzen voller Lieb'.

11. Die Zigeunerin

Ich ruhte so selig in Waldesnacht
Im fernen Böhmerlande;
Halb hab' ich geträumt, halb hab' ich gewacht
An murmelnden Baches Rande.

Und rings umgab mich des Waldes Grün,
Ein Leben voll Blüten und Düften;
Hoch über mir sah ich die Wolken zieh'n
In lichtdurchfluteten Lüften.

Und rings erhob sich ein süßer Sang
Wie längst vergessene Lieder;
Das wallte und wogte den Wald entlang,
Bald auf und wieder hernieder.

Und heller hört' ich die Klänge ziehn,
Berauschender wurden die Düfte,
Und frischer ward des Waldes Grün,
Und goldener wurden die Lüfte.

Da trat zu mir ein hohes Weib
Im alten Königsgewande:
Das Rabenhaar umwallt' den Leib,
Entfesselt vom goldenen Bande;

Ein fremder Glanz, ein Lichter Schein
Umfloß die schwellenden Glieder.
»Gitana«, sprach sie, »Tochter mein!«
Und beugte sich zu mir hernieder.

»Du siehst in mir des Stammes Haupt
Aus alten, uralten Zeiten,
Mein Volk ist eig'nen Glücks beraubt,
Vermag es nur andern zu deuten.

Und hat es keine Schätze mehr,
So mag es Weisheit haben;
Und ist die Hand von Golde leer,
So mag sie Wahrheit graben.

Die Schwestern ziehn von Ort zu Ort,
Weissagend aus den Händen,
Doch dir will ich den schönsten Hort
Von meinen Gaben spenden.

Die Hand, sie täuscht; der Mund, er lügt:
Zur Wahrheit sie nicht taugen;
Das eine, Kind, was nimmer trügt,
Das sind der Menschen Augen.

D'rin sollst du lesen das Geschick,
Was sein wird, was gewesen;
Den tiefsten Schmerz, das höchste Glück
Sollst du in den Augen lesen.

Und hast du einst ein junges Paar
Voll Liebeslust gefunden,
Das sich auf ewig treu und wahr
Zu Freud' und Leid verbunden,

Dann will ich dir die Macht verleih'n,
Die Kunst zu übertragen,
Zu schau'n die Wahrheit klar und rein,
Sollt' es die Augen fragen.«

Und das hohe Weib, es war verschwunden,
Und verblichen war des Waldes Grün;
Meines Jugendlebens holde Stunden,
Waldeslust und Melodie'n,
Lichte Wolken an dem Himmelsbogen,
Alles war in Finsternis verkehrt;
Um mein Jugendglück war ich betrogen,
Als man Weisheit mich gelehrt.

Meinen grünen Wald hab' ich verlassen,
Schweifend zog ich durch das weite Land,
Ich durchzog der Städte stolze Gassen;
Keinen Glücklichen ich fand.
Nirgends Wahrheit, nirgends Lieb' und Treue;
Bosheit, Tücke fand ich allerwärts,
Unverdrossen blickt ich stets aufs neue
Durch die Augen in das Herz.

Heut' hab' ich das hohe Glück gefunden.
Ach, vergebens sucht' ich's Jahr für Jahr.
Holdes Paar, ich sehe dich verbunden
Treu in Liebe, ernst und wahr.
Dir kann ich das schwere Pfand vertrauen
Ohne bange Furcht und ohne Schmerz:
Beide ineinander könnt ihr schauen
Durch die Augen in das Herz.

Oh, bewahret euch des Bundes Einheit,
Bleibt des heutigen Tages eingedenk,
Und hewahret euch des Herzens Reinheit,
Fluch wird sonst mein ernst Geschenk.
Und wenn dann im gläubigen Vertrauen
Einst das Aug' sich richtet himmelwärts,
Wird ein and'rer milde auf euch schauen
Durch die Augen in das Herz.

12. Das liederliche Kleeblatt

Schneider Zwirn, Schuster Pech und Tischler Leim.

Pech und Leim
(singen noch hinter der Szene,
während Zwirn ins Zimmer tritt):

Hahnemann!
Jeh du voran;
Du hast die großen Stiebel an,
Daß dir der Has' nich beißen kann.

Zwirn (für sich):
Nee – dit, dit is doch zu jemein.

(Laut:)
Unsaubre Jeister, ziehet ein.

Pech:
I wo? Wo werd ick! Nee, det is zu doll!
Der janze Saal, der is jo voll.

Leim:
Da jeh der Deuwel mit hinein;
Det is hier nich vor unserein.

Zwirn:
Ihr seid mich doch ein sauber Paar.
Ich jlobe fast, ihr förcht euch jar.

Pech:
Wo? Förchten? – Zwirn, ick bitte dir!
Du kommst mich spanisch-bitter für.

Leim:
Nee! Förchten? – Förchten kann man det nich nennen:
Det is man, det wir 'rausgeschmissen werden können!

Zwirn:
In die Jesellschaft 'rausgeschmissen? –
Hier is det nobel, müßt ihr wissen;
Hier is't mit Bildung un mit feinen Plüh,
Hier hat man Achtung vor't Schenie.

Pech:
Det sagst du gestern ooch von eurer Harmonie,
Un Schläge jab't nich vor de Langeweile.
Du lieber Jott, wat jab't vor Keile!

Leim:
Ja, Bruder Pech, ja det war jut!
Sieh! erstens haben s' mir den neien Hut
Uf meine Nas' herabmanöveriert
Un nachher wurd' ick 'rausschpediert.

Pech:
Ja, Bruder Leim, dat war gelungen!
Sie hab'n dir schön da 'rausjebrungen! –
Un det nennt er 'ne richt'ge Keilerei!
Ick seh nichts Regelrechts dabei.

Zwirn:
Na, hört, ihr könnt euch nich beklagen.
Is det ein nobeles Betragen,
Is det denn Bildung, is denn det Manier,
Wenn eener kommt in ein jebild't Quartier,
In Käs' un Brod sich zu verschlucken,
Det jeder sich davor muß ekeln,
Sich mit die Beene uf die Bänk zu rekeln
Un in die Harmonie zu spucken? –
Da könnt ihr fragen, wen ihr wollt,
Die janzen Herrn hier könnt ihr fragen.
Wat würden die woll dazu sagen,
Wenn ihnen dat passieren sollt?

Pech:
Du bist en schlechter Mitkolleg!
Wenn't mal en bisken regnet Schläg',
Denn sitzt du immer in dat Trocken;
Du hast noch immer dir jedocken.

Leim:
Erst rührt er stets den Krempel in,
Un wenn's denn zu 'ner Keilerei jedieh'n,
Denn wird er plötzlich alle sin,
Denn wird er schleunigst sich verzieh'n.

Zwirn:
Ihr Schafköpp, ihr! Meint ihr, dat ick den Kopp
Nur dazu hab', det man mir daruf klopp?
Ick dank davor, mir lassen so zu jrüßen
Un mir mit Prügel zu begießen.
Det zu verlangen, det wär nett!
Ick zieh mir sacht in die Kulissen;
Die höh're Kriegskunst nennt man det.
Ihr dummes Volk, is det der Dank davor,
Dat ick euch täte engagieren,
Mit't janz vereinigt' Schneidercorps
Bejeistrungsvoll herum zu scharmützieren?
Ihr wärt doch reinemang perdüh,
Wenn ick mal den Entschluß tät fassen
Un mein Talent un meine Phantasie
In and're Sphären leuchten lassen!
Wer zog mit euch die Kreuz un Quer
Durch kleine un durch jroße Städte?
Wo habt ihr euren Wohlstand her,
Wenn ick nich vor euch sorgen täte?
Wer hat mit sein Talent in't Fechten
Euch in Behaglichkeit versetzt?
Und ihr wollt jetzund mit mich rechten
Un wollt mir schikanieren jetzt? –
Mein Standpunkt is mich klar jeworden.
(Pathetisch.)
Adjees! Mer sind geschied'ne Brüder;
Ick jeh' nach Süden, ihr nach Norden.
Adjees! Mer sehn uns nimmer wieder!

Pech:
Na, Zwirn, du hast dir doch man so?
Det is doch Spaß uf allen Fällen?

Leim:
Un Spaß muß sind, sagt Cicero;
Du wirst dir doch man bloß verstellen?

Zwirn:
Mit de Verstellung is det aus.
Die Wahrheit muß doch mal heraus.
Schon längst hab' ick darnach jetracht't,
Mir den Jedanken klar gemacht,
Mit mein Talent un meine Phantasie'n,
Mir seitwärts in die Büsche zu verziehn.
Ick steh, jottlob, noch uf die eig'nen Beine;
Ick haß in dich den Schmutz un dat Gemeine.
Adjees! Schieb ab, du undankbares Pack!
Ick lieb' die Freiheit un den blauen Himmel!

Pech:
Un ick, ick lieb' den Schnupptoback.

Leim:
Un ick, ick lobe mir den Kümmel. –
Doch aberst, Pech, det muß man Zwirnen lassen,
Die Worte weeß er abzufassen,
'ne große Rednerjabe hat er.

Pech:
Un vor uns fechten? – Ja, det tat er!
In jedes Bauernhaus, da trat er,
Un manchen Dreiling uns erbat er;
Er hat gesorgt vor uns als Vater,
Er hat gesorgt vor uns als Mutter,
Was hat er nich vor Käs' un Butter
So aus die Bauerhäuser ausjeführt!

Leim:
Wo hat er uns nich deffendiert,
Wenn uns die Polizei tät fassen.
Ja, Bruder Pech, det muß man Zwirnen lassen!

Pech:
Un nu! – Wo würd' uns det woll jeh'n,
Wenn er uns ließ her mutterseelen steh'n,
Wenn er sich jetzt verabsentiert,
Nachdem er uns hier 'reingeführt.
Det eenz'ge, wat uns rettet heut,
Det is noch die Talentigkeit.

Zwirn:
Ihr jammert mir! Ick will euch ferner schützen,
Doch wenn ihr kommt mit eure schlechte Witzen,
Denn laß ick euch mal in die Patsche sitzen.

(Zum Brautpaar sehr geziert berlinisch:)
Erlauben Sie, verzeihen Sie,
Een junger Mensch, een wandernder Schenie,
Von zwee verdraute Freund bejlitten,
Wollt Euer Jnaden freundschaftlichstens bitten,
Sich mit die Jroßmut zu bedecken.
Un uns 'ne Anleih vorzustrecken.
Denn sehn S', de Arbeit is sehr rar.
Wer sein jetzt »feirig«, wie mer's nennt...

Pech:
Ja, 't sein nu schon an sieben Jahr.

Leim:
Un allerwärts sein mer bekannt:
Man kennet uns in jeder Stadt
Un nennet uns det Klewerblatt.
Sie setzen freilich wat dazu;
Indessen dat...

Zwirn (einfallend):
Indessen dat verschweijest du.
So wat jehöret hier nich her.
Ick weeß nich, wat du dir erkühnst! –
Na jut! Es sind de Taschen leer,
Denn det Verdienst un der Verdienst,
Det sind zwei janz verschiedne Dinge,
Un is det erst're noch so jroß,
So ist der letzt're man geringe.
Sehn Sie uns an! Mer sein nich bloß,
Wie sonst de Uf-Herr-Jees tun sein,
Mer sein wat Höh'ers, müssen S' wissen:
Mer haben uns ein jederein
Uf wat Besonderes geschmissen.
Zum Beispiel: ick studier Anatomie
Un nebenbei Muskulatur,
Ick orbeit bloß nach die Natur
Un folje bloß die Phantasie.
Mein Freund, der Schuster hier, is so 'ne Art Commis
Un trägt den Probenkasten Hukepack.

Pech:
Ja, meine Herrns, ick mach in Schnupptoback
Un nebenbei in Malz un Hoppen.

Leim:
Un ich beschäftige mir mit Dischekloppen.

Zwirn:
Det heeßt, geehrte Herrns, verzeihn S',
Wenn Jeld er hat, denn kloppt er munter
Un mit Bejeistrung uf den Disch, un hat er keins,
Denn kloppt er sich mit Pechen d'runter.

Pech.
Je, det is wahr; det is so ein Privatverjnügen,
Wat in Gemeinschaft wir bejeh'n:
Wenn er dut unterm Dische liegen,
Denn kann ich ooch nich widersteh'n.

Zwirn:
Ick stör' sie denn ooch nich in dieses Doppel-
Verjnügen. Nein – ick...

Hanne (mit Heftigkeit eintretend und auf
den Schneider losfahrend):

Wo Dunnerwetter, wat is dit?
Wo kümmt dei Hund hier in dei Koppel,
Un't Heck is tau?! – Herut doamit!
So'n Volk! – Nu seih mal eine bloß!
Herut mit jug, verdammtes Pack!

Zwirn (beiseite):
Nu jeht der Polterabend los.

Pech (in großer Seelenruhe der Hanne
eine Prise offerierend):

Belieben Sie mal Schnupptoback?

Leim (ihr höflich die Kümmelflasche präsentierend):
Wo is denn dat mit einem Kümmel?

Hanne:
Bliew mi von'n Liew', entfahmte Lümmel!
So'n Takel, schnüffelt ümme 'rümme,
Dat drängt sich 'rin in jeden Urt,
Un nahsten süd dei Läpel furt.

Zwirn (verliebt):
O Jott, wat is det vor 'ne Stimme,
Un wat vor Oogen leuchten mir!
Dieselbe göttliche Gestalt –
Mich wird bald heiß, mich wird bald kalt,
Dieselbe Nase seh' ick hier
Un in die Wang' dieselbe Kuhle!
't is jrade so, als ständ vor mir
Im Liebesjlanz die Teterower Jule. –
Mein süßer Schatz, o darf ick't wagen,
Mein liebend Herz uf Sie zu überdragen?
Oh, Jott! Wat sind dat doch vor Oogen!

Hanne:
Du Ekel, du! Na täuw, mien Jochen,
Dei sall di äwer'n Puckel straken!
Du Ekel, wist di unnestahn
Mit so'n Schnack, mit so'n veleiwte Saken
Mi unn're Oogen hier tau gahn?
Herut mit di!
(Treibt ihn vor sich her.)

Zwirn:
Ich bitte Ihnen!
Wenn ich es täte mir erkühnen,
Von ehrfurchtsvoller Liebe Sie zu sprechen...

Hanne:
Herut mit di, süs raup'ck dei Knechts herin!
(Drängt ihn zur Tür hin.)

Zwirn:
Is denn Liebe ein Verbrechen?
Darf man denn nich zärtlich sin?

Hanne:
Herut mit di, süs gift dat Schacht!
(Schiebt ihn zur Tür hinaus.)

Zwirn (in der Tür, singt):
Die liebe, ach, die Liebe hat mir so weit gebracht!

Pech (sich mit dem Rücken an die Tür stemmend):
So! Der wär 'raus; dat wär nu abgemacht!
Nu, Bruder Leim, nu mit dem Puckel 'ran!
Mer stehn jetzt beid' vor einen Mann.

Leim (ebenfalls mit dem Rücken an der Tür):
Ja, Bruder Pech, det wollen wir:
Ick steh vor dir und du vor mir,
Un beide stehn mer an die Dür.

Pech:
Geehrte Dams, geehrte Herrn,
Sie zu verlassen, det sei fern.
Es soll Sie keiner hier beleid'jen,
Bis uf den letzten Mann wolln wir Sie hier verteid'jen!

Leim:
Ja, Pech, Courage verlaß mir nich!
Dit is so wat für mich un dich.
Dieweil sie draußen Zwirnen dreschen,
Woll'n wir den Durscht mit Kümmel löschen.
(Trinkt und gibt die Flasche an Pech.)
Ick sage dir, det kämpft sich nett,
Wenn eener steht bejeistrungsvoll
Un eenen uf die Lampe hett.
Un 'ne Belaj'rung nennt man det,
Man nennt det ooch Sebastopol.

Pech:
Mit Zwirnen, jlob ick, is dat oberfaul,
Den werd'n sie draußen schön bejrüßen.

Leim:
Laß den man sind, der hat ein jutes Maul,
Der wird sich rauszureden wissen;
Der jeht so leicht nicht vor die Hunde,
Det is ein viel zu feiner Kunde.

Zwirn (draußen):
O Jott doch! Schwinn! Laßt mir herin!

Pech (heimlich zu Leim):
Du! Det is Zwirn.

Zwirn (draußen):
Hat mir doch die verdammte Dirn
Schön in die Patsche 'rinjebracht!
Ick bitt euch, Brüder, ufjemacht!

Leim (heimlich zu Pech):
Laß du ihm man en bißken draußen sitzen.
Wenn sie ihn ooch en bißken kloppen,
Ich denk', wir drinken erst en Droppen.
(Trinkt mit Pech.)

Pech (laut):
In diese Dür kommt keener rin,
Det könnten ja Spionerieen sin.

Zwirn:
O Bruder Pech! Jeschwinn! Jeschwinn!
Ick bitt' dir, laß mir doch herin!
Die Sache is aus allem Spaß.

Leim:
Na, steck mal erst herein die Nas'.
Mer müss'n uns erst doch überzeugen.

Pech:
Ja, laß ihn erst die Nase zeigen.

Zwirn (steckt die Nase durch die Türritze):
Da seht ihr mir, da habt ihr mir;
Nu, Brüder, macht mir uf die Dür.

Leim:
Nee, juter Freund, nee, scheer Er sich;
Det's Zwirnen seine Nase nich!

Pech:
Ja, Bruder Pech, mer sein gefoppt,
Det is jo'n Ding wie 'ne Kartoffel!

Zwirn:
O Jotte doch! Die Dirn hat mit den Toffel
Mir ja die Nase breitjekloppt.

Pech (zu Leim):
Mir däucht, det könnte möglich sin.
(Zu Zwirn:)
Na steck mal eenen Been herin.

(Zwirn steckt ein Bein durch die Tür.)

Pech (das Bein untersuchend):
Mir scheint...

Leim:
Mir ooch.

Pech:
Mir scheint dat vor jewiß,
Det wirklich det sein Beinwerk is.
Ja, Bruder Leim, det muß ick sagen,
Wenn eener dut mir uf't Gewissen fragen,
Denn halt ick diese propern Waden
Vor dat Jestell von unsern Kameraden.

(Leim beugt sich vor, um sich die Waden
anzusehn; dies benutzt Zwirn und drängt sich
ins Zimmer, einen Korb in der Hand):
Jottlob! Da wär ick widder in die Stube,
Ick bin gerettet aus die Mörderjrube!
Doch ihr, ihr seid ein saubres Paar!
Ihr hätt't gewartet, bis mit Haut un Haar
Man draußen täte mir verzehren,
Un ihr, ihr saßt in juter Ruh.

Pech:
Na hör, du kannst dir nich beschweren,
Wir glaubten dir uf Randewuh.

Leim:
Un spielten hier Silistria. –
Na, aber Zwirn, wat hast denn da?

Zwirn:
Dieweil ihr mir die Tür verrammelt,
Hab' ick mir'n Körbken ufjesammelt.

Pech:
Wat is denn drin?

Zwirn:
Det weeß ick nich!
Als sie mir düchtig hatt verkeilt
Un ihren Toffel ausgeteilt
Un als die Knecht mir mit die Wagenrungen
Janz höflich aus die Dür jebrungen,
Bin ick durch't Fenster widder 'reingesprungen,
Un als dat jlücklich mir gelungen,
Da hat sich't Körbken angehungen.

Leim (der sich mit dem Korbe beschäftigt hat,
holt verschiedene Düten, kleine Glashäfen,
Töpfchen und Fäßchen heraus. Zum Schuster):
Paß acht, was er jeangelt, Fritze!
Det sind gebackte Pflaumen, det is Jrütze,
Det Reis, det Pfeffer un det Salz,
Det is een Pöttken Jänseschmalz,
Det is 'ne Wurscht, det Schweinefett –
'ne janze Aussteu'r nennt man det!

Pech:
Ick denk, mit diese Viktualigen
Woll'n wir uns lieber nicht befassen.
Es wär' ein Streich, ein recht fataligen,
Wenn uns dabei die Polizei tät fassen.

Zwirn:
Ich denke mir der Jroßmut hinzugeben
Un diesen Korb, der sich soeben
Erjebungsvoll an meinen Arm tät henken,
An dieses junge Paar hier zu verschenken.
Es läßt sich schlecht von lauter Liebe leben;
Der edle Mensch, er will daneben
So ab und an an Jrütze sich erlaben,
Die Dugend will Kartoffeln haben.

Pech:
Det nenn ick jroß! Nenn'ck ausverschämten jroß!
Det übersteiget jede Schranke!
Jeliebter Zwirn, ick bitt dir bloß,
Wie konnt' so'n nobeler Jedanke
Sich dir erzeugen im Jehirn?
Daran erkenn ich meinen Zwirn.

Leim:
Ick ooch. Ick stimm euch beiden bei.
Laßt uns're Dugend sich entfalten!
Un wär' det ooch nur um die Polizei.
(Heimlich zu Zwirn.)
Doch höre, Zwirn, die Wurscht, die wollen wir behalten.

Zwirn (laut):
Wie det doch janz jemeene denkt!
Nee, Dischler, hör! Wenn Zwirn wat schenkt,
Schenkt er im Ernst und nicht im Scherz,
Verschenkt sich selbst, sein ganzes Herz
Mit seiner Lust, mit seiner Qual.
Oh, Dischler, wat bist du gesunken!

Pech:
Det sag ick ooch. Ick hab ein dutzendmal
Mir nu mein Herze schon verschunken
Un dachte nie nich an 'ne Wurscht.

Leim:
Nu! An die Wurscht hab' ick ooch nich gedacht;
Ick dacht' nur an den grausam scheenen Durscht,
Den sie mir immer anjefacht.
Wenn ihr durchaus denn wollt, denn meinetwejen!
Schenkt ihr man zu; ick habe nicks dajejen.

Zwirn (zum Brautpaar):
Jeliebtes Paar! Durch Schicksals Junst,
Durch eigne Kunst
Bin ick zu't jroße Jlück jelangt,
Det sich an mir wat angehangt.
Ick, Pech un Leim, wir haben unverdrossen
In den jeheimen Rat beschlossen,
Dir, liebendes, jeliebtes Paar, mit diesen
Verhängnisvollen Körbken zu bejrüßen
Un deinen Eh'stand det zu weihn.
Det liegt 'ne janze Aussteu'r drein;
Die mag zu euren Kram sich passen.
Mer könn'n uns nich damit befassen.
Mer kenn'n die Liebe woll, den Zug der Herzen,
Mit ihrer Lust, mit ihren Schmerzen,
Mer sind auf Liebe sehr erpicht –
Den Ehestand, den kenn'n mer nicht.

Leim:
Die Liebe is uns wohlbekannt;
Doch kenn'n mer nicht den Ehestand.

Pech:
Mer lieben innig, treu un wahr,
Doch immer nur uf't halbe Jahr.

Zwirn:
Un hab'n mer man uf't halbe Jahr
Det liebend Herze wegjejeben,
So hoff'n mer doch, du deures Paar,
Dat du dir liebst uf't ganze Leben.

Leim:
Mer lieben uf den Aujenblick,
In jedem Städtchen eine Neue.
Zu deiner Liebe, deinem Jlück
Jeselle sich ooch noch die Dreue.

Pech:
Un wenn jebauet euer Haus,
Jejründet is der Wohlstand beider,
Denn nehmt uns auf, denn schmeißt nich 'raus
Den Schuster, Dischler un den Schneider!

13. Eine Köchin

Na, so wat lewt nich up dei Welt,
Un so wat krüpt nich up den Bähn!
Oll ... sien Dochte un ... sien Sähn,
So as mien Tanten mi vetellt,
Dei waren beir sich ok nu kriegen,
Dei sünd sich ok nu einig worr'n.
Dei Preiste sall sei trugen morr'n,
Und morgen sälen sei sich friegen.
»I wo?« sähr ik, »sei waren doch woll nich?«
»Ja woll!« sähr sei, »sei friegen sich,
Ick sall jo 'rute kamen morgen
Un sall dat Kaaken doa besorgen.
Die höh're Kochkunst nennt man dat.«
»Ih, Tanten ..., weist du wat?
Denn will ick mit di 'rute führen
Un will mien Glück doa mal probieren,
Ob sich dei jungen Lühr bequemen,
As Herrenkäksch mi antaunehmen;
Ick hew kein Kunditschon up Stährs!«
»Doa deihst du recht, mien Döchting«, sähr s',
»Gah du man 'rute nah dei beiren,
Wer weit, du kannst di doa vemeiren.« –
Na, seihn S', so is dat also kamen,
Dat mi mien Tanten mit sich nahmen.
Un wenn Sei noch kein anne hebben süllen
Un mi as Käksch sich meiren willen,
Denn hebb'n Sei keinen Unkoop dahn,
Ick war mien Saaken woll vestahn.
Un nicks nich is för mi tau schwoa,
Denn, seihn S', ick dehr all männig Joah
So in dei Käken 'rümme racken.
Un kaaken kann ick, na, ick segg! Und backen!
Dat Wate löpt Sei in den Mund tausamen,
Wenn mien Gerichte 'rin taum Eten kamen.
Mien Fisch un Tüften un mien Frikanßee!
Un denn mien Artsupp! Na, ick segg Sei, nee!
So'n Artsupp kennt dei Welt noch nich,
Rein dod d'rin eten kann man sich. –
Un nu, Madaming – seihn S', ick nenn Sei so,
Wiel't morgen doch so heiten dauhen deiht –,
Nu seggen S' mal, wat meinen Sei doato?
Wat krieg ick von Sei för Bescheid,
Will'n Sei up mienen Vörschlag hüren
Un mi as Käksch sich anglesieren?
Denn, seihn S', ick bün kein utveschamt Person,
Velang ok nich tau hogen Lohn,
Ick bün siehr rendlich an den Liew,
Un wenn ick kaak, kaak ick ok nich so riew.
Nee! All'ns wat recht is! Wat doatau deiht hüren,
Dat möten S' allerdings spendieren,
Mit Botte dörb'n S' nich alltau sporsam sin:
En Kläckschen doa, en Kläckschen hia,
En Kläckschen 'rinne in dat Füa,
Wat sin möt, seihn S', dat möt'e sin.
Un denn, denn möten S' noch velöben
Un mi doatau Erlaubniß geben,
Daß mich zu Zeiten af un an
Der Stiernenberger hier besuchen kann,
Er is en proprer Schuster un von Bildung sehr,
Un seihn S', Madam, wat will ick mehr?
Er liebt mir sehr, un Brummelsburger heißt er
Un hat mir neulich vor die Tür gewunken
Un uf die Bänk mich Herz un Hand geschunken,
Un uf den Harst, denn wird er Meister. –
Na, seihn S', mit Sei, doa wier ick nu taurecht,
Doch tau dat Friegen hüren twei;
Un doarüm kümmt denn, wie geseggt,
Ehr leiwe Schatz jetzt an dei Reih. –
Noch bün'ck mit jeden Herrn fahrig worr'n,
Un ok mit den'n, den Sei sich friegen morr'n,
Doa war ick fahrig ganz gewiß,
Wenn hei man bloß kein Pöttkenkieke is.
Denn seihn S', Madaming, dat's so'n Oart,
Dei kiekt uns ümme in dei Koart,
Dat steiht un deiht un kiekt un luurt
Un prätelt stets in einen furt,
Denn is dei Sauß nich recht, denn nich dei Brahren,
Denn is dei Pudding nich gerahren,
Denn is't tau solt, denn is't tau sua,
Un ümme steiht dat up dei Luua.
Doch so schient hei mi nich getacht;
Denn seihn S', Madaming, wenn'ck em so betracht,
As hei bi Sei doa sitten dauhen deiht,
Un ut enanne as en Flahren geiht,
As wier hei ut en Deig rutwöltert,
As hahr hei männ'gen fetten Happen
Mit gauren Rotwien 'runnespöltert,
Denn glöw ick nich, dat hei sich üm dei Schappen
Un üm dei Pött bekümmern deiht,
As Pöttkenkieke 'rümme geiht. –
Nee, seihn S', Madam, dei steiht nich up dei Luua,
Dat is 'ne hartfratsche Natua!
Un denn, Madam,
Seihn Sie ihn an,
Was is das vor ein schmuckes Mann,
Seihn Sie ihn hier,
Er's glatt un schier,
Als wenn't mein Stiernenberger wier.

14. Tag und Nacht

(von zwei Damen dargestellt)

Der Tag in weißen, blumengeschmückten Gewändern, einen Blumenkranz im Haar (auch ein sonnenähnlicher Kopfputz kann angewandt werden). Die Nacht im schwarzen Kleide; vorne im Haar eine kleinen, silbernen Halbmond; einen mit goldenen Sternen gestickten schwarzen Schleier über die Schulter geschlagen.

Nacht:
Aus dem fernen Morgenlande,
Wo die Lotosblume blüht,
Wo der Ganges, mächtig schwellend,
Durch die dichten Gungeln zieht,
Wo um jede Tempel-Trümmer
Heiliges Geheimnis weht,
Wo auf jedem grauen Steine
Schrift uralter Weisheit steht,
Daher kommen wir gezogen,
Ein ungleiches Schwesterpaar:
Ich um's Haupt den dunklen Schleier,
Sie den Blumenkranz im Haar.
Was wir bringen, es ist Wahrheit;
Pflanzt sie tief in euer Herz!
Wahrheit ruht im stillen Ernste,
Wahrheit lacht aus heiterm Scherz.

Tag:
Mit leichtem, geflügeltem Schritte
Durchziehe ich Wiese und Feld,
Und mit dem leuchtenden Auge
Verklär' ich die finstere Welt.
Ich schwinge mich auf in die Lüfte,
Vergolde die Wolken mit Glanz,
Ich senk' mich hinab in die Ströme
Und reihe die Wellen zum Tanz;
Ich wieg' mich auf Blättern und Blumen
Ich schwinge mich himmelwärts
Und wieg' mich auf Sonnenstrahlen
Und gleit' mit dem Strahl in dein Herz;
Ich spiele im leichten Geflüster
Des West's um die Schläfe dein:
Das Reich der Blumen und Farben,
Das Reich der Töne ist mein.

Nacht:
Leisen Schrittes durch die Felder
Wandl' ich durch den stillen Wald,
Jene Orte sorglich meidend,
Wo geschäft'ges Leben schallt,
Aus dem Dämmerscheine wirke,
Aus dem Duft ich ein Gewand,
Breite seine dunkeln Falten
Schweigend über Meer und Land;
Leg' mich weich und linde kühlend
An den Berg und in das Tal,
Senk' mich in die Menschenseele
Auf des Mondes bleichem Strahl;
Und mit bleichen Mondesstrahlen
Zieh'n Gedanken in dich ein.
Das Reich der ernsten Betrachtung,
Das Reich der Gedanken ist mein.

Tag:
Und ist denn das Reich der Gedanken,
Die stille keimende Saat,
Zu deinem Reiche gehörig,
Gehört zu dem meinen die Tat.
Und was aus dem Keimen zum Werden,
Zum Sein ins Leben tritt,
Das höret zu meinen Gaben,
Das geb' ich fürs Leben euch mit.
Ich geb' euch das klare Verständnis,
Den aufgeschlossenen Sinn,
Ich geb' euch die Mühe, die Arbeit,
Ich geb' euch den reichen Gewinn.
Ich führ' euch hinein in des Lebens
Gedränge und zeig' euch den Pfad,
Ich lehr' euch für jeden der Stöße
Die rechte, die beste Parad'.
Ich lehre euch singen und scherzen
Und scheuchen der Sorgen Heer;
Ich tauche eure Schmerzen
In des Vergessens Meer.

Nacht:
Solche Gaben, wie die Schwester,
Voller Glanz und voller Lust,
Eingetaucht in bunte Farben,
Solche Gaben biet' ich nicht.
Doch wenn euch von Kämpfen, Ringen
Müde ist das Herz, die Hand,
Wenn das Aug' sich senkt geblendet
Von des Lebens buntem Tand,
Dann erschließ ich eurem Blicke
Eine neue, reiche Welt
Tief in eurem stillen Herzen,
Von der Liebe Licht erhellt;
Lehr' euch in die Schachte fahren
Tief hinab auf Herzens Grund,
Lehr' euch Edelsteine suchen,
Mach' euch dorten Schätze kund;
Zeig' euch rätselhafte Stellen,
Wo des Lebens Quell entspringt,
Mit geheimnisvollen Wellen
Durch das ganze Wesen dringt.

Tag:
So wollen wir freudig euch dienen
Und stehen euch immer zur Seit',
Wir wollen euch winken und warnen
In guter und böser Zeit.
Wir kennen alle Dinge
Auf diesem Erdenrund,
Wir kennen alle Taten
Und aller Taten Grund;
Wir haben alles gesehen
Auf weitem Erdengebiet,
Wir wissen, was geschehen
Und was dereinst geschieht.
Und wollt ihr es nicht glauben,
Ich überzeug' euch bald,
Hier liegen Glückeslose
Und Schicksal' mannigfalt;
Wählt eins mit keckem Finger,
Es wird das eure sein
Und wird euch eure Zukunft
Wahrhaftig prophezeih'n.

(Während dieser letzten Worte hat die Nacht in zwei
bereit gehaltene Urnen, Vasen, Becher oder, wenn nichts
anderes vorhanden ist, auf zwei Präsentierteller eine
Anzahl zusammengerollter Zettel getan, auf welchem
jeden die nachfolgenden Verse stehen. Sie überreicht die
so zugerichtete Vase der Schwester, welche zuerst von der
Braut das Los ziehen läßt, während die Nacht die zweite
Vase für das Los des Bräutigams ebenso zurichtet.

Nachdem die Braut ein Los gezogen, nimmt der Tag ihr
dasselbe ab und liest laut..)

 

Leben stiller Häuslichkeit,
Lange Freude, kurzes Leid,
In der Zukunft lachend Glück,
Manchen ernsten Blick zurück,
Keine Sorg', die niederbeugt,
Keine Lust, die Reue zeugt,
Frieden außen, Frieden innen
Wirst im Ehestand gewinnen.
(Darauf, dem Bräutigam die andere Vase
reichend, liest sie, nachdem er gezogen.)
Minister wirst du nie,
Kommst nie ins Konsistorium,
Betitelt wirst du nie,
Auch wird ein Bimbamborium
Von Orden deine Brust nie zieren,
Wirst Land und Leute nie regieren;
Doch in dem Herzen deiner Frauen
Kannst leicht die Herrschaft dir erringen,
Mußt stets nur ihrer Liebe trauen
Und selbst ihr recht viel Liebe bringen.

(Dies Spiel läßt sich leicht und zu großer, allgemeiner
Heiterkeit weiter auf alle oder einige Anwesende
ausdehnen. Die Nacht füllt stets die eben gebrauchte Vase
mit neuen Zetteln, die, um Verwechslung zu vermeiden,
mit leichten farbigen Wollfäden umbunden sind, so daß
für jeden der Ziehenden eine bestimmte Farbe gilt. – In
den Versen muß etwas Epigrammatisches liegen und, wo
es angeht, Heiteres, mäßig Scharfes, z. B. für einen Mann
von Embonpoint und gutem Appetit.)

 

Dem Geschick entgehet keiner.
Mit der Taille ist es aus,
Und dein Wuchs wird nimmer kleiner,
Und die Breite dehnt sich aus.
N. N., iß nicht so viel Schinken,
Trinke nicht so vielen Wein,
Denn beim vielen Essen, Trinken
Könnt'st du bald ein Globus sein.

(Für einen rechten Demokratenfresser.)
Das Schrecklichste in Ihrem Leben
Sei hiemit Ihnen wahrgesagt:
Mit Ihnen wird sich 'was begeben,
Woran im Traum Sie nicht gedacht.
Sie werden nächstens ohne Zweifel,
Erschrecken Sie nur nicht, Herr Rat!,
Sie werden nächstens, hol's der Teufel!,
Sie werden nächstens – Demokrat!

(Für eine häusliche, glücklich verheiratete Frau:)
Ein ungetrübtes Glück gibt's nicht hienieden;
Wer glücklich heißt, ist nur zufrieden.
D'rum wollen wir von Glück dir nichts verkünden,
Nur von des Herzens Ruhe, von Zufriedenheit.
Sie wird die Deine sein zu jeder Zeit,
Du kennest ja den Ort, wo sie zu finden.

15. Ein Kutscher und ein Stubenmädchen

Christian (allein):
Wo dit woll wad? Wo dit sich woll regiert?
Ick hew mien Dings all säbenmal probiert,
Ick segg't bald sacht un segg't bald luut
Un krieg't nich 'rut un krieg't nich 'rut.
Marie! – Wo bliewt sei denn, wo täuwt sei nah?
Ick liehr mi, wo ick stah un gah;
Bald bün'ck in Angst, bald bün'ck in Wut,
Un krieg't nich 'rut un krieg't nich 'rut.
Marieken! – Wo sei woll nah täuwt?
Ob sei sich ok ehr Stück inäuwt?
Dei Brüjam is all doa, doa is dei Bruut,
Ick liehr un liehr un fohr fast ut dei Huut,
Un krieg't nich 'rut und krieg't nich 'rut.
Marieken! – Mariekeken!
Wat luurst du denn, Mariekeken!

Marie (tritt auf):
Wat röpst du denn? – Wat schriegst du denn?
Du büst woll nich so recht bi Trost?
Kuum dat ick man den Rüggen wenn,
Denn geiht ok gliek dien Schriegen los.

Christian:
Du leiwer Gott, wo sall dit waren?
Ick sitt nu in 'ne schöne Supp!
Ick war noch heil un deil tau'n Nahren!
Wo kümmt denn uns' Madam doaup?
Velangt, ick sall en Stück upführen
Un sall hüt Abend deklinieren
En Stück so zort, en Stück so säut,
En Stück, so wohr ick Krischan heit,
Dat rohren möt ein jeremann,
Dat sich en Hund erbarmen kann.

Marie:
Na, weitst du't denn? Fang doch mal an.

Christian:
Ih, wo weit ick't; ick bliew jo ümme steken.

Marie:
Ih, 't is jo nicks, du bruukst jo man tau spreken,
Dei Ogen bäten tau vekiehren
Un mit dei Arm herüm handtieren.

Christian:
Na, denn man tau, denn paß mal up!
Un wenn ick hacken bliew, denn giw mi'n lütten Schubb.

Marie:
Na, ierst giw dat Gedicht mi man,
Dat ick dien Lex vehüren kann.

Christian (sucht in allen Taschen und bringt nacheinander
die angeführten Gegenstände zum Vorschein):

Hier is dat nich. Dit is 'ne Hand vull Tunne.
Mang desen Kram is't ok nich unne.
Dit sünd drei schöne, niege Liere,
Gedrückt in desen Joah.
Dit is 'ne Reknung von den Schniere,
Dei up den Harst ick em betahl.
Dit's't ok nich, dit's mien Füastahl,
En Tobacksbüdel un 'ne Tunnebüs.
Na täuw, in dese is't gewiß.
Nee! Hier is't ok nich. – Täuw, nu fällt mi in,
Dat wad woll in den Stäwel sin.
Na, sähr ick't nich? – Hier is't; ick hew't,
Un nu kann losgahn dat Geschäft.

Marie (liest):
Hier sitzt das holde Paar
Auf diesen beiden Stühlen,
Das ich als Kutscher fahr
Mit innigen Gefühlen.

Wer hett dat maakt? Wo hest dat her?

Christian:
Ih, wer hett't maakt? Wat's dat vör Frag?
Un kümmt't di denn so prächtig vör? –
Na, daß ich's dich's denn doch man sag',
Ich sülwsten habe das gemacht,
Un hab's mich's sülwsten ausgedacht,
Un Zeit hab ich da naug dazu.

Marie:
Du Klas! Je, du un maaken! Du!
Wist du kein richtig Rehr hier führen,
Denn dauh'ck dien Lex di nich vehüren.
Meinst du, ick sall dien Lägen glöben?

Christian:
I wo! Ick hew in'n Spaß man spraken,
Uns' Schaulmeiste dehr dat Ding mi maaken;
Acht Gröschen müßt'ck em doavör geben.

Marie (liest weiter):
Ich sitze auf dem Bock
Mit roter Litz und Kragen,
In meinem Kutscherrock;
Sie sitzen in dem Wagen.

Er wird denn ganz verliebt
In ihre Augen blicken,
Und ich kann ungetrübt
Auf meinem Bocke nicken.

Sie sagt zu ihm: »Mein Herz!«
»Oh, N. N.!« spricht er, »Liebe!«
Ich seh' nicht hinterwärts
Und stör' nicht ihre Triebe.

So werd' ich beide nun
Durchs Erdenleben fahren;
Was sie dort hinten tun,
Brauch' ich nicht zu gewahren.

Ich fahr' sie still und fromm
Durch alle Schicksalsschläge;
Wohin ich immer komm,
Da find' ich meine Wege.

Nu fang mal an.

Christian:
Ja! – Wenn ick kann.

Marie:
Na: Hier...

Christian:
Hier...

Marie:
Hier sitzt...

Christian:
Hier sitzt...

Marie:
Du weitst jo nicks!

Christian:
So geiht dat noch nich los! Dat is en schweres Wesen.
Du möst den ganzen Vers ierst lesen.

Marie (liest):
Hier sitzt das holde Paar
Auf diesen beiden Stühlen,
Das ich als Kutscher fahr
Mit innigen Gefühlen.

Christian (nachsprechend):
Hier sitzt das holde Paar
Mit innigen Gefühlen,
Das ich als Kutscher fahr
Auf diesen beiden Stühlen.

Marie:
Ich sitze auf dem Bock
Mit roter Litz und Kragen,
In meinem Kutscherrock;
Sie sitzen in dem Wagen.

Christian:
Sie sitzen auf dem Bock
Mit roter Litz und Kragen,
In meinem Kutscherrock;
Ich sitze in dem Wagen.

Marie:
Dat is jo dei vekiehrte Welt!

Christian:
Ih wat! Ick hew't man'n bäten anners stellt.

Marie:
Er wird dann ganz verliebt
In ihre Augen blicken,
Und ich kann ungetrübt
Auf meinem Bocke nicken.

Christian:
Er wird denn ganz verliebt
Auf meinem Bocke nicken,
Und ich kann ungetrübt
In ihre Augen blicken.

Marie:
Seggst du dat so tau'm Brüjam un dei Brut,
Sei krieg'n die bi'n Kragen un schmieten di herut.

Christian:
Na, laat man sin! Ick hew mi man vebistert.

Marie:
Sie sagt zu ihm: »Mein Herz!«
»Oh, N. N.!« spricht er, »Liebe!«
Ich seh' nicht hinterwärts
Und stör' nicht ihre Triebe.

Christian:
Sie sagt zu mir: »Mein Herz!«
»Oh, N. N.!« sag ich, »Liebe!«
Er sieht nicht hinterwärts
Und stört nicht uns're Triebe.

Marie:
Dat geiht jo nich!

Christian:
Laat mi tau Weeg!

Marie:
Wenn du dat seggst, denn krigst du Schläg'.
(liest weiter):
So werd' ich beide nun
Durchs Erdenleben fahren,
Was sie dort hinten tun,
Brauch' ich nicht zu gewahren.

Christian:
Uns beide wird er nun
Durchs Erdenleben fahren,
Was wir dort hinten tun,
Braucht er nicht zu gewahren.

Marie:
Ich fahr sie still und fromm
Durch alle Schicksalsschläge,
Und wo ich immer komm,
Da find ich meine Wege.

Christian:
Ich fahr sie still und fromm
Durch alle Schicksalswege,
Und wo ich immer komm,
Da find' ich meine Schläge.

Marie:
Doa hest du recht! Du bruukst nich vähl tau sinn'n,
Dien Schläg' wast allentwegent finn'n.
För jeden Vers, för jeden Satz
Hürt di en rechten dücht'gen Raps,
Denn so'n Gedrähn un so'n Gequatsch...

Christian:
Je süh! Kannst du't denn bäte maaken?
Wenn ick ok nich ganz richtig spraaken,
So gift dat doch en schönen Sinn,
Mit den'n ick ganz taufrehren bün.

Marie:
Je, wenn'ck mien Saak nich bäte künn,
Denn würr'ck mi ganz verfluchten schämen,
So woah ick noch en ihrlich Mäten bün.
Du kannst mal mienen Zettel nehmen
Un mi mien Lex ok mal vehüren.
Nu will ick't ok einmal probieren!
(Gibt ihm den Zettel und deklamiert natürlich
und gefühlvoll.)

Noch weilet ihr in Mitte eurer Lieben;
Wie lange währt's, dann gibt's ein herbes Scheiden,
Und denn ist uns von euch, ihr Lieben beiden,
Nur der Erinn'rung Schatten übrig blieben.

Ihr zieht dahin zu neuen, fernen Orten,
Ihr schüttelt hier den Staub von euren Füßen,
Und fremd empfängt man euch mit fremden Grüßen,
Ein fremdes Haus eröffnet euch die Pforten.

Wie lange währt's, denn habt ihr uns verloren.
Verloren? Nein! – Wie glücklich euer Leben,
Wie hoch die Freuden, die euch hold umschweben,
Ihr denket an das Haus, das euch geboren.

Ihr denkt an uns, die bald mit heißen Tränen
Aus uns'rer Liebe Armen euch entlassen,
Die euch zuletzt noch einmal treu umfassen,
Ihr denkt an uns zurück mit stillem Sehnen.

Doch zaget nicht, wie wir auch nicht verzagen!
Die neue Heimat werdet dort ihr gründen,
Statt uns'rer Liebe werd't ihr eure finden,
Und durch sie werd't ihr Trennung leicht ertragen.

Ein neues Wirken wird euch kräftig regen,
Es folgt die Ruhe nach des Tages Mühen;
An eurem Herde wird der Frieden blühen
Und auf dem Felde winken goldner Segen.

Lebt wohl! Lebt wohl! Aus unsern frohen Händen
Wird euch der letzte Jugendscherz gespendet;
Des Lebens Jugendrausch hat nun geendet,
Zu ernstern Freuden müsset ihr euch wenden.

Lebt wohl! Lebt wohl! Die alten Sterne sinken;
Doch neue ziehn herauf am Himmelsbogen,
Und wenn auch diese einst vorüberzogen,
So soll ein heit'rer Abendstern euch winken.

16. Ein Marktschreier

Heran! Heran!
Ich bin der Mann,
Dem tiefe Weisheit offenbart!
Heran mit euch, wer kein Philister!
Ich bin der Doktor Eisenbart,
Bin aller freien Künst' Magister;
Mir gegenüber sind die Professoren
Nur Eselsvolk mit langen Ohren.
Hab' manchen Doktor 'rumgehetzt,
In Not und Angst und Pein versetzt
Und dann zuletzt
Ihn matt und auf den Sand gesetzt
Als veritabeln Schaafkopp.
Heran! Heran!
Ich bin der Mann,
Der alles kann,
Ich bin fürwahr der wahre, rare Jakob!
Ich, Kinder, bin der Finder aller Wahrheit,
Ich, Kinder, bin der Gründer aller Weisheit,
Ich, Kinder, bin der Schinder aller Dummheit,
Ich, Kinder, mach' nicht minder euch gesünder;
Bin aller Krankheit Überwinder;
Ich, Kinder, lindere geschwinder,
Als zu der Hölle fährt ein armer Sünder,
Euch alle Pein, euch alle Not,
Ich banne selbst den bittern Tod.
Doch das ist Nichts! Die Konsultation,
Zu der man mich gezogen in Gewissenssachen,
Der Rat, den ich erteilt den Schwachen,
Die brachten mir die Reputation,
Die setzten mich gebührend allerwegen
Beim hohen Publikum in Gunst.
Und mit Verlaub will ich von meiner Kunst
Dem holden Paar hier Prob' ablegen.

(Zum Brautpaar.)
Ein jedes Ding auf dieser Erden
Von zweien Seiten betrachtet kann werden;
Doch meistens ist der Mensch zu dumm,
Er kehrt das Ding nicht einmal um,
Die and're Seite auch zu beschauen.
Ob man der Sache könne trauen.
Wer meine Apotheke sieht,
Von ferne schon das Maul verzieht,
Nicht Heilsamkeit der Arzenei,
Nein, nur ihr Bitt'res fällt ihm bei.
Wer ein verliebtes Pärchen sieht
Des Abends auf dem Sopha sitzen,
Der auch sogleich sein Maul verzieht,
Doch ist's kein Rümpfen, 's ist ein Spitzen,
's ist ein Schmunzeln um die Lippen,
Um auch vom Liebeskelch zu nippen.
Dort denkt er nur des Ungeschmacks,
Und darin irrt er sehr.
Des Salmiaks und Theriaks.
Hier denkt er nur der Süßigkeiten
Von Liebesfreuden und von Hochzeiten
Und irrt darin noch mehr.
Ein Weihnachtsbaum zum heil'gen Christ,
Ein Erkenntnisbaum der Eh'stand ist;
Nicht gold'ne Äpfel bloß sieht man prangen,
Auch Galläpfel sieht man d'ran 'runterhangen;
Uns winken nicht bloß Zuckernüsse,
Auch Ärgernüsse und Bekümmernüsse.
D'rum gegen diese bösen Sachen,
Hab' ich Remedia lassen machen,
Und diese Pillen, die ihr seht,
Hab' eigenhändig ich gedreht.

(Zum Bräutigam.)
Wenn einst dein Weibchen mit dir schmollt,
Weil du nicht so wie sie gewollt;
Wenn sie auf deinen Gruß nicht dankt
Und sich schon heiser hat gezankt;
Wenn sie sich wünscht den bittern Tod
Und dir sogar mit Krämpfen droht:
Nimm ein Entreebillett zum Ball,
D'rin wickle diese Pille fein,
Leg alles auf'n neuen Shawl
Und gib ihr dieses Mittel ein,
Dann wird sie wohl kurieret sein.

(Zur Braut.)
Wenn einst dein Eh'gemahl in seinem Zorn,
Das ganze Haus mit Lärm durchwettert;
Wenn ihm die Fliege an der Wand ein Dorn
Und er die Tür fast aus den Angeln schmettert;
Wenn ihm die Suppe schmeckt versalzen,
Ihm angebrannt der Braten riecht,
Dann mußt dies Pulver du entfalzen;
Gib ihm davon, du hast gesiegt.
In eine volle Flasche Wein –
Doch ja vom besten muß es sein –
Tu ihm ein Körnlein nur hinein,
So wird er bei dem edlen Wein
Recht bald ganz still und fügsam sein.

(Zu beiden.)
Doch nun das Köstlichste von meinen Schätzen!
Ich tät es in mancher durchwachten Nacht
Mit vielem Fleiß und tiefem Bedacht
Aus tausend Dingen zusammensetzen,
Und hab' mich dabei fast von Sinnen studiert,
Doch endlich glücklich es präpariert.
Ein Pulver ist's von Kräutern und Sträuchern,
Den Eheteufel auszuräuchern;
Der Junker Tobias hat ihn gekannt,
Asmodi wurd' er sonst genannt,
Die Bibel seinen Namen kennt,
Jetzt man ihn Eifersucht benennt.
Die Mittel sind probat;
Und öfters hat
Man sie schon angewendet,
Und stets hat sich die Kur mit Glück geendet.
Doch besser ist's, ihr mögt sie nie berühren;
Eu'r Lebenspfad sei frei von jeden Leiden!
Und diesen Weg wird euch das Schicksal führen,
Wenn eure Hoffnung ist bescheiden,
Wenn euer Leben liebumkränzt
Und euer Glaube unbegrenzt,
Dann werd't ihr nie in späten Jahren
Die Wahrheit jenes Spruchs erfahren:
Es ist nicht alles Gold, was glänzt.

17. Ein Orgeldreher mit seiner Frau

Der Mann (in den Saal tretend):
Wat du vor Banje hast, Karline,
Du bist doch noch verdeibelt jriene!
Wenn ick dich sag', dat duht sich passen,
Denn kannst du dir daruf verlassen.

Frau (ihm folgend):
O Jotte doch! Ich bitt' dich, Mann,
Sieh dich doch die Jesellschaft an,
Det is nich so, als sing' hier man.

Mann:
Karline, nee! Du jammerst mir.
Jlobst du, dat ick zum erstenmale hier
Mit die begeisterten Jefühlen
Vor dat vornehme Publikum duh spielen?
Ick hab' vorm Jrafen von Hohennasen
Schon mal die Klarinette jeblasen!
Die Kunst, Karline, geht den jraden Jang,
Sie kennt nich Vornehm und Jering,
Un wenn ick sag', dat ick hier sing',
Denn kohl mir da nich länger mang!

Frau:
Je, aber Mordjeschichten! Nee, det jeht doch nich!
Die kannst du hier doch heut' nich singen.
Paß du mal acht, sie werden sicherlich
Dir schleunigst uf die Strümpe bringen.

Mann:
Na, siehst'e, det verstehst du nich!
Hab'n wir nich in't Repertowahr,
Jedruckt in dieset neie Jahr,
Die scheensten Stücker von der Welt?
(Singt ohne Orgelbegleitung:)
Friedericus Guilhelmus, der zog in't Feld,
Un denn dat Stück von Herrn Klinken –
Doch erst jieb mir mal eins zu trinken.
(Er trinkt und singt ebenfalls ohne Orgelbegleitung:)
Herr Klink war sonst ein braver Mann,
Von Amt ein Stadtsoldate,
Nur schade, daß er dann und wann
Ein bißken schnapsen tate,
Und daß er dann...

Frau (ihn unterbrechend):
O Jotte doch! Dit is zu ville!
Den Schnaps, den laß hier aus dem Spille,
Der paßt hier nich in diesen Saal,
Hier heeßt't heut Abend: Cardenal.
Un wenn du denn so jroße Lust
Un du durchaus wat singen mußt,
Denn sing dat von dat Liebespaar.

Mann:
Na, siehst'e, Schätzken, det is wahr!
Een juter Jeist jab dich dat in,
Da is sojar Jedanke d'rin.
(Tritt vor.)
Veröhrte Herrns, belieben Sie zu dienen!
Ick bin der Künstleer Semmelmann
Und komme hier mit meiner Frau, Karlinen,
Jeborne Wurscht, zum Feste an.
Wir sind sehr ausgezeichnet worden:
Ick selbst erhielt vom König die Medallje
Vor Kunst un Wissenschaft in Jold und in Emallje,
Un sie, sie führt den Schwanenorden.
Indessen muß ick dat bekennen,
Wir sind en bißken runter, wie sie't nennen,
Un kommen hier zu dieset Festes Feier,
Zur Jroßmut sie Jelegenheit zu bieten;
Der Spiretus is jraulich deier,
Weil die Kartoffeln nich gerieten,
Un uns're Kunst is jraulich schweer –
Karline, jieb die Pulle her!
(Er trinkt.)
O Jott, wat is der Durscht doch jroß! –
Nu, Herrschaft, jeht der Krempel los!
Na, nu komm ick, sagt Semmelmann,
Nu, Olle, zieh't Rejister an!

(Beide singen zur Orgel.)
Et war eenmal ein junget Paar,
Wie't scheener selten gibt,
Die hatten sich so manches Jahr
Jefährlichen geliebt.
Doch endlich kam der Tag heran,
O süße seelje Stund'n!,
Wo beede sie als Frau un Mann
Uf ewig sich verbund'n.
Un als zwee Daag verjanjen sind,
Da sagt der junge Mann:
»Karline, höre mal, mein Kind!
O hör' mir doch mal an!
Die Wirtschaft jeht in jroben Jrund,
So kann't nich länjer jehn,
Die Morjenstund hat Jold im Mund,
Wir müssen früh ufstehn!

Karline, kumm! Karline, kumm!
Steh uf, mein süßer Schatz!«
Karline dreht sich widder um
Un rührt sich nich vom Platz,
Sei reibt die Oogen sich un jähnt
Un kommt nich uf die Bein:
»Ick bin an meine Ruh gewöhnt«,
Un sie schlaft widder ein.

Der Mann, der jeht woll uf dat Feld
Bis morgens halber neun,
Un als er allens wollbestellt,
Da kommt er widder 'rein:
»Karline, kumm! Karline, kumm!
Wo kann denn det woll sein?«
Doch sie, sie dreht sich widder um
Un schlafet widder ein.

(Zu seiner Frau.)
Karline, höher mit die Quint!
Bedenke, dat wir Künstleer sind!

Un als so jejen elf die Klock,
Hebt sie sich aus der Ruh
Un jreift nach ihren Unterrock
Un zieht sich an die Schuh
Un stellt sich ihrem Spiegel vor,
In den hinein sie sieht,
Un machet sich ihr seiden Hoor,
O Gott, wo war sie müd'!

Der Mann, der looft zum Nachbar hin:
»Herr Nachbar, bitte Sie!
Mir is so finsterlich zu Sinn,
Ick weeß nich, wo un wie.
Det Weib, det ick mir hab gefriejt,
Det liejt im Bette da,
Un wenn sie stets so lange liejt,
Geh'ck nach Amerika.«

Un als jemachet sie den Kopp
Un sie sich anjezog'n,
Da frajet sie dat Mädchen, ob
Die Küken schon jesog'n;
Un daruf jeht sie in die Küch'
Un ruft die Viehmagd 'rein
Un fragt sie un erkundigt sich,
Ob sie jemelkt die Schwein.

(Zu seiner Frau.)
Karline, lauter von die Sorte!
Det jeht mich doch zu sehr pianoforte.

Der Mann, der looft zum Nachbar hin:
»Herr Nachbar, nu adjes!
In eener halben Stunde bin
Ick fort, un Jott, der weeß,
Wo mir mein Schicksal führet hen;
Ick bleib nich länjer da!
Un jrüßen Sie Karlineken,
Jeh nach Amerika!«

Un die Moral von die Jeschicht? –
Ick sag't euch, lieben Frau'n:
Bis jejen elfe schlafet nicht,
Müßt nach der Wirtschaft schau'n.
Oh, folgt, un höret uf mein Wort:
Der Mann bleibt sonst nich da,
Er looft euch, hol's der Kuckuck, fort,
Jeht nach Amerika!

(Zu der Gesellschaft.)
Un det, det duht er! – Ja!
Sie könn'n sich druf verlassen!
Ick selbst tät mal Entschlüsse fassen,
Die so nach Bremen 'rüberspielten
Un uf Amerika hinzielten.
Im Jeiste sah ick schon den Strand,
Un meine beeden Oogen sahn,
So überm blauen Ozean,
In ihm ein neues Vaterland.
Doch da erfuhr ick, dat de Polezei
Da auch gewaltig jütig sei:
Mit die Entschlüsse war det Kuchen!

Frau:
Ick meent, du wollt'st det Jlück da suchen?

Mann:
Det Jlück? – Karlineken! Hab' ick't denn nich gefunden?
Bist du mir denn nich anjebunden?
Un wenn ick't außer dir sollt suchen,
Kann ick det anderswo woll scheener finden,
Als wo zwee Herzen sich verbinden,
En neien Eh'stand zu bejründen,
Sich vor det Leben zu entfalten? –
Sieh dieset Paar im Volljenuß des Jlücks!
Komm her, Karline, mach en Knicks,
Ick werr dazu 'ne Rede halten.

(Zu dem Paar.)
Veröhrtes Paar un hochjeliebtes!
Verschiedne Sorten Jlücke jiebt es,
Doch komm'n sie all uf eens hinaus,
Det is dat Jlück in unser eigen Haus,
Det ist dat Jlück in uns're eig'ne Brust. –
Sehn Sie mir an: ick führ ein wandernd Leben,
Die Kunst, die mir ein Jott jejeben,
Sie werre viller Tausend Lust,
Un dennoch stets un doch indessen
Kann ick die Heimat nich vergessen,
Mein Herz nach Haus' zurück sich sehnt,
Dat mir Karlineken verschönt.
Det ist de Aufjab' von det scheen Jeschlecht,
Det es von morgens früh bis abends spät
Mit Jeist in seine Wirtschaft jeht,
Nach Ordnung sieht un nach det Recht.
Denn bleibt der Mann auch hübsch zu Haus,
Un mit det Schwuddern is det aus,
Er wird een juter Hauspapa
Un looft nich nach Amerika.

(Zu seiner Frau.)
Det hat mir doch sehr anjejriffen.
Karline, komm, jeborne Wurscht,
Ick hab' en grausam scheenen Durscht!
Doch laß die Pulle lieber stecken,
Ick duh hier bessern Stoff entdecken,
Es riecht darnach det janze Haus!

(Zu einer Dame des Hauses,
die vorher Bescheid weiß.)

Mamselleken, ick bitt' mir'n Gläsken aus.

(Zu dem Paar.)
Scherz genug ist jetzt getrieben,
Und Verzeihung von euch Lieben,
Wenn er ungeziemend war.
Ernst soll an den Scherz sich reih'n!

Darum stimmet alle ein:
Hoch leb' unser trautes Paar!
(Hoch!)

Noch einmal
Muß erschallen
Von uns allen
Laut der Saal!
(Hoch!)

Holdes Paar!
Hell und klar
Fließ' dein Leben,
Wie der gold'ne Saft der Reben,
Den ein milder Himmel zog.
Nun zum drittenmale: Hoch!
(Hoch!)

18. Zu einem Geburtstage

(gesprochen von einem Kinde bei der Überreichung einer kleinen Gabe.)

Ihr klugen, ihr alten, verständigen Leute,
Ihr sitzet bedächtig und schüttelt den Kopf,
Ihr denkt an das Morgen und nicht an das Heute,
Und in eurem Nacken, da wackelt der Zopf.

Besucht euch die Freude, dann prüft ihr, dann leckt ihr,
Ihr faßt sie nicht jubelnd und lachend beim Schopf;
Ihr wägt in den Händen, dann riecht ihr, dann schmeckt ihr,
Und hinten im Nacken, da wackelt der Zopf.

Wir Kleinen, wir freilich sind gar zu viel dümmer,
Wir nehmen den Apfel, ob groß er, ob klein,
Wir freu'n uns am Gold und am rosigen Schimmer
Und nehmen den Apfel und beißen hinein.

Ich frage nicht, ob er vom Wurme gestochen,
Ob reif oder unreif, genug, er ist mein;
Ich habe noch nie an dem Apfel gerochen,
Man gab mir den Apfel, und ich biß hinein.

Mama, ich will heut' einen Apfel dir schenken.
Ich weiß nicht gewiß, ob er reif auch wird sein,
Doch nimm ihn, lieb Mutter, ohn' alles Bedenken,
Auf meine Verantwortung beiße hinein!

Vielleicht ist er etwas vom Wurm angestochen,
Vielleicht kann er inwendig hohl auch wohl sein,
Vielleicht ist zu zeitig vom Baum er gebrochen,
Doch lustig, lieb Mutter, und beiße hinein!

Nicht wahr, liebe Mutter, du bist ganz zufrieden?
Du warst ja noch niemals ein mürrischer Tropf!
Du freu'st dich der Gabel die ich dir beschieden,
Und schüttelst darob nicht den Kopf und den Zopf?

19. Eine Szene zum Geburtstage des Vaters

(dargestellt von der Erzieherin und den Kindern.
Die erstere als Wartefrau.)

Wartefrau:
Gören, nu wees't still un maakt nich so'n Larm!
Ji maakt mi rein den Kopp noch warm
Mit juges Bröllen, juges Schriegen.
Doa kann man jo dei Ahnmacht kriegen!
Ick weit nich, wo mien Kopp mi steiht;
Hei is mi heil un deihl vedreiht.
Doa stahn sei all un blahren, blahren,
Dei ein will dit, dei anne dat,
Un wenn'n s' frögt, so weiten sei nich wat
Un hebb'n mi ümme bloß tau'm Nahren.
Schrieg, Deuwel, schrieg!
Ick war mi an jug' Schriegen goa nich kiehren;
För dat schlicht Lohn, wat ick hier krieg,
Bruuk' ick mi nich tau strapazieren.
Von'n Mor'n bet tau'n Abend, von'n Abend bet tau'n Mor'n
Geiht dat Gebröll in einen furt,
Ick bün ganz swack in'n Kopp all worrn,
Ick war verrückt, wenn dat noch länge duurt.
Wenn blos jug' Vahre dat man so mal wüßt,
Wo ick mit jug mi hier möt quälen,
Hei dehr in'n ganzen Hus' befehlen,
Dat man mi Fäut un Hän'n küßt;
Hei würr mi keine Bähr afschlagen
Un würr mi sülwst up Hän'n dragen
Un »Rieke«, würr hei seggen, »leiwe Rieke,
Wo is dat mäglich, dat du diene Saaken
Un dienen ganzen Kram so bringst in't Glieke?«
Un würr mi ok mal äwestraken.
Je hei! – Hei un straken!
Mit schnöre Rehren ranzt hei mi man an,
Kein fründlich Wurt hett je hei tau mi spraken.
Noch nielich sähr'e – paßt sich dat woll för so'n Mann? –,
As em dat wier mal upgefollen,
Dat in den Jung' sien Uhr en bäten Schmutz:
»Sall ick di noch en Hawjung' hollen,
Dat hei dat Kind dei Uhren putz'?«
Is dat 'ne Rehr för'n Gautsbesitze,
Paßt sich dat för so'n rieken Mann,
Dat hei mi so'ne schlichten Witze
Von'n »Hawjung' hollen« maaken kann?

Zweites Mädchen:
Nee, Ite, nee! Du sast up den'n Papa nich schellen.

Wartefrau:
Du dummes Ding, wer schellt em denn?
Ick dauh jo bloß dat man vetellen.
Man kann doch seggen, wo un wenn!

Erstes Mädchen:
Nee, diene Rehr wier vähl mihr spitze,
Un du hest seggt, Papa maakt schlichte Witze.

Wartefrau:
Na, mit sien gauren geiht dat ok sihr an;
Wenn hei weck maakt, sünd sei man schlicht.
Un nu gaht hen un mell't mi an,
Ierst behrt mi äwe jug' Gedicht
Un stellt jug in de Reih' up dese Stäuhl
Un schniert nich so'n oll dämliches Gesicht
Un sprekt mit Utdruck un Gefäuhl
Un rüppt un rückt un rührt jug nich.
(Sie hebt das kleinste Kind auf den Stuhl.)
So! Ach Gott, dat Lütting!
Segg, Lütting, kannst nich 'ruppekamen?
Süh, soking! Wies' dien lütten Poten,
Dien Uhren ok; sünd sei ok witting?
Denn hüt, hüt kamen Herrn un Damen
Un veele, veele annern Gäst;
Hüt is Papa'n sien Geburtsdagsfest.
Süh, so is't recht! – Nu fangt mal an,
Un jere sprek so luur, as hei man kann.
(Alle schreien durcheinander.)

Wartefrau:
Herr Je, mien Kopp! Herr Je, mien Kopp!
Hürt up, hürt up! Herr Je, mien Kopp!

(Zu der ältesten:)
Nu, du mal ierst.

Erstes Mädchen:
    Lieber Vater, bin im Neste
    Die Verständigste und Ältste,
    Bin an diesem frohen Feste
    Ganz gewiß auch nicht die Kältste.

Wartefrau:
Richtig!
    Lieber Vater, bin beim Feste
    Die Verständigste und Ältste,
    Bin in diesem frohen Neste
    Ganz gewiß auch nicht die Kältste.

Erstes Mädchen:
    Komme heut', zu gratulieren,
    Den Pantoffel dir zu bieten,
    Komm', dein graues Haupt zu zieren
    Mit dem Kranze voller Blüten.

Wartefrau:
Richtig!
    Komme heut', zu gratulieren,
    Dir mein graues Haupt zu bieten,
    Den Pantoffel dir zu zieren
    Mit dem Kranze voller Blüten.
Nee, so is't nich!
    Komme heut', zu gratulieren,
    Dir den grauen Kranz zu bieten,
    Dir dein volles Haupt zu zieren,
    Den Pantoffel voller Blüten.
Nee, so is't ok nich!
    Komme heut', zu gratulieren,
    Dir den vollen Kranz zu bieten,
    Den Pantoffel dir zu zieren
    Und dein graues Haupt voll Blüten.
Nee, so is't all nich!
Aewe schadt ok nich!
Dei Gören sälen't spreken,
Ick war mi nich den Kopp tebreken.
(Scheint jetzt erst den Festling gewahr zu werden.)
Herr Jemine! Doa is hei jo!
Wo hew ick dägern mi vefiert!
Na, nu fangt an un maakt dat so,
As jug dei Schaulmamsell dat liehrt!

(Die Kinder, die bisher nach Vorschrift steif auf den
Stühlen gesessen haben, gruppieren sich natürlich um den
Vater. In dem vorliegenden Falle überbringt das älteste
Mädchen einen Kranz und einen Pantoffel, das zweite
Mädchen den andern dazu gehörigen Pantoffel als
Geburtstagsarbeit. Für diese beiden setze ich kleine
Gedichte her, indem ich dabei andeute, daß für eine
größere Anzahl mitspielender Kinder nach Bedürfnis
leicht durch kleine Verse ausgeholfen werden kann. Daß
auch Knaben mitspielen können, versteht sich von selbst.)

 

Erstes Mädchen (Kranz und Pantoffel überreichend):
    Lieber Vater, bin im Neste
    Die Verständigste und Ältste,
    Bin an diesem frohen Feste
    Ganz gewiß auch nicht die Kältste

.

    Komme heut', zu gratulieren,
    Den Pantoffel dir zu bieten.
    Komm', dein graues Haupt zu zieren
    Mit dem Kranze voller Blüten.

    Heit're Tage, Glück und Segen
    Mögen auf dich niedertauen,
    Und auf allen deinen Wegen
    Möge stets der Himmel schauen!

Zweites Mädchen:
Klein ist die Gabe, die ich biete,
    Doch groß die Freude, die's mir macht,
    Und aus dem innigsten Gemüte
    Sei dir mein Glückwunsch dargebracht.
    Denk nicht, es sei der schlechte Schuh
    Allein, den ich dir heute bringe;
    Blick' in mein Herz, dort findest du
    Den tiefsten Dank für deine Güte,
    Für all dein freundlich, herzlich Wesen,
    Das du mir immer zugewandt;
    In meinem Herzen kannst du's lesen,
    Wie gütig deine Vaterhand!

(Drittes, viertes, fünftes Kind usw.)

Wartefrau:
So geht es uns. – Kaum hat der heit're Scherz
In uns'rer Seele froh gewaltet,
So füllt ein ernster Sinn das Herz
Und uns're Stirne ist gefaltet.
Was erst dir Freude war und Glück,
Scheint dir ein törichtes Beginnen;
Die Seele zieht sich scheu zurück,
Versenkt sich still in tiefes Sinnen,
Und alle innigen Gefühle,
Sie drängen mächtig auf dich ein.
Wohl dem, dem solche Wechselspiele
Stets neue Lebenskraft verleihn!
Wohl dem, der keine Bitterkeit
Auf seines Herzens Grund gefunden,
Dem einer stillen Freudigkeit
Verschwistert sind die ernsten Stunden!
Er wird nicht in den tiefen Schmerzen,
In Kampf und Trübsal untergehn,
Und wird in allen heitern Scherzen
Den Ernst des Lebens walten sehn.
Such nun den Ernst in uns'rer Freude,
Verzeih uns auch den Spott und Scherz
Und denk, daß tief ergriffen heute
Für dich gebetet manches Herz.
Denk, daß, die heut' sich um dich sammeln,
Dir ihre besten Wünsche weih'n
Und daß die Wünsche, die sie stammeln,
Wie Kindheitsträume fromm und rein.
Oh! Fühle deines Glückes Macht!
Und sieh, wie jedes Antlitz leuchtet
Und jede Kinderwange lacht
Und deines Weibes Blick sich feuchtet!
Wie jeder Liebling dich zu Gast
In seinen Freudenhimmel ladet,
Wie dich die Liebe ringsum faßt
Und wie der Herr dich hochbegnadet!
Wie ihm allein gebührt der Preis!
Und willst der Fremden du nicht weigern,
Sich einzudrängen in den Kreis,
Und kann ein Wunsch dein Glück noch steigern,
So laß auch mich mit ernstem Worte
Dir bringen meine Wünsche dar –
Ich wünsche: daß an diesem Orte
Dies frohe Fest sich Jahr für Jahr
Mög' immer fort und fort erneuen,
Bis deine Tage sind gezählt
Und keiner dann von deinen Treuen
An deinem Sterbebette fehlt.

20. Zu einer silbernen Hochzeit

(Eine Wirtschafterin und ein Dienstmädchen. Die Wirtschafterin wird von einer Tochter des Jubelpaares dargestellt, bei dem Dienstmädchen ist es grade nicht nötig.)

Dienstmädchen (tritt auf mit einem Korbe voll
silberner Löffel, die sie geputzt hat, und singt halblaut,
aber doch so, daß die Worte gut zu verstehen sind):
Ich hab' einen Schatz über Berg und Tal,
Da singt der schöne Nachtigall.
(Sie besieht die Löffel, guckt erst inwendig hinein,
dann spiegelt sie sich auf der Außenseite.)

Nu sünd sei gaut, nu sünd sei blank;
Schier speigeln kann man sich doain.
Herr Je! Wat's mien Gesicht doch lang!
Ob ick denn woll so mage bün?
Un nu hew'ck werre so'n breir Gesicht;
Dat fünn doch süs mien Jochen nich.

Ach Jöching! Jöching, wo büst du nu?
Blifst du mi gaut, blifst du mi tru?
Du büst nu werre bi dei Soldaten.
Oh, dei verfluchten Russen!
Du möst nu werre Schildwacht stahn
Un gegen dat Takel von Russen gahn;
Künn'n sei di denn tau Hus nich laaten?
Oh, dei verfluchten Russen!
Up'n Harst, denn hahren wi uns kregen;
'ne Kauh hahr uns mien Vahre geben,
Dei Herr uns Hüsung in den Katen.
Oh, dei verfluchten Russen!
Nu is't tau En'n; ut is dei Frie!
Mien Jochen steiht dei Türken bi,
Hei will för ehr sien Leben laaten!
Oh, dei verfluchten Russen!

Wirtschafterin (hinter der Szene):
Korlin! Korlin! Wo büst du denn?
(Tritt auf.)
Ick schrie, ick raup, ick loop un rönn,
Trepp up, Trepp af, dat ick ganz lahm.
Der Deuwel hahl den ganzen Kram!
In'n Huus', doa rögt sich jeremann,
Du spaurst di äwe nich 'ne Spua
Un kickst hier dei vier Wän'n an
As jenne Kauh dat niege Dua.

Dienstmädchen:
Ja, ja, Mamselling! Ick bün p'rat.
Ick müßt mi eben man so bedreuben,
Dat nu mien Jochen is Soldat
Un ick möt mit dei Hochtied teuben.

Wirtschafterin:
Dat laat man sin, gif di taufrehren,
Wi hebb'n 'ne sülwern Hochtied hüt.
Wer weit, wat eins mit di geschüht!
Doa helpt kein Singen un kein Behren;
Wer allwiel is so in dei Johren,
Dei möt ok mit. Doa helpt kein Roahren.
Uns' Herr sähr nielich tau dei Fru,
As hei dei Zeitung lesen dehr:
»Wenn ich noch 'n bitschen jünger wär,
Denn güng ich mit.« »Du?« sähr sei, »du?«
»Ja«, sähr'e, »nu tue ich Kurasche spüren,
Denn nu geht das an's Rüterieren;
Die Russen seind über den Pruth gezogen.«

Dienstmädchen:
Ach Gott, mien Jochen! –
Dat is nu all dat tweitemal,
Dat uns're Herren Hochtied hollen,
Un wenn uns' Herrgott Segen gift,
Denn fiern sei ok noch dei gollen.
Dat wieren drei, dei sei hebben dehren.
Ach, Gott! Ick wier mit ein taufrehren.

Wirtschafterin:
Du büst nich dumm; dat glöw ick sacht!
Doch hüt schlah di dat ut den Sinn
Un gif mi up wat anners acht.
Meinst du, dat ick taufrehren bün?
Ick bün woll ölle noch as du
Un sett doch mien Gemäuth in Ruh.
Hüt is kein Tied tau so'ne Geschichten,
Hüt säll'n wi 'ne sülwerne Hochtied utrichten.
Hüt kamen veele Herrn un Damen
Von alle En'n der Welt tausamen,
Sei scharmutzieren un sei scharmieren.
Sei schwadronieren un gratulieren.
Un ick möt noch dei Klümp anrühren!
Ick mügt so giern en bäten rauhn;
Doch ach! Wat hew ick noch tau dauhn!
Ick mügt hüt Abend so giern wat hüren
Un möt dei ollen Klümp anrühren!
Hüt Abend maaken s' Pulterie,
Doa wier ick goa tau giern doabi;
Ick mügt giern seihn, wat sei upführen,
Un möt dei ollen Klümp anrühren!

Dienstmädchen:
Wat mag denn allens behren sin?
Wat kümmt denn all hüt hier tausamen?

Wirtschafterin:
Je, ick weit veel! Doaräwe bün
Ick sülwst nich recht in't Rein, wer hüt deiht kamen.

Dienstmädchen:
Doch woll man bloß dei neegsten Frün'n?

Wirtschafterin:
Ih, denk' nich d'ran! Dei ganze Gegend!
Dat is, as wenn s' mi keinen Sünndag günn'n.
Na, soveel segg ick: Mienentwegent
Mücht' all dei Kram taum Kuckuck gahn,
Denn bruukt ick hüt nich in dei Kök tau stahn
Un doa dei ollen Klümp anrühren!

Dienstmädchen:
Mamselling, willn Sei mal wat hüren?

Wirtschafterin:
Wat denn? Wat wist du? Sprek!

Dienstmädchen:
Dat schimpt mi so, hür'n dat ok weck?

Wirtschafterin:
Hier hürt di keine, kannst frie rehren.

Dienstmädchen:
Ick will hüt abend ok wat beeren.
Driest 'naug bün ick – dat hahl dei Deusert!
Ick hew mi sülwst wat utkalmäusert,
Un liehrt hew ick't en Vierteljoah,
Nu kann ick't äwerst bet up't Hoah.

Wirtschafterin:
Na, dat's wahrhaftig doch kurjos!
Dat sülwstig hew ick ok in'n Sinn.
Wenn dei Spektakel geiht hüt los,
Denn gah ick patzig mit herin.
Na, büst du denn dien Saak ok ganz gewiß?
Beer' her dien Lex, ob dat ok paßlich is.

Dienstmädchen:
Ach, leiwer Gott! Mien is man schlicht,
Is man so'n Riemels un kein Gedicht
Un geiht nah dei olle Melodei
»Und 'n Fiedelbogen und 'n Baßgei,
Und 'n Baßgei und 'n Fiedelbogen.«
(Fängt unwillkürlich nach der Melodie
zu tanzen an.)

Und 'n Fiedelbogen und 'n Baßgei,
Und 'n Baßgei und 'n Fiedelbogen –
Un kümmt tauletzt up mienen Jochen.
(Wendet sich gegen den silbernen Bräutigam,
ohne ihm gerade nahe zu treten.)

As vör Johren, as vör Johren,
Sei dei ierste Hochtied höllen,
Was geboren, was geboren
Ick noch nich up allen Fällen.

Doataumalen, doataumalen
Künn ick Sei nich gratulieren,
Doch nahhalen, doch nahhalen
Will ick't, will dat hüt probieren.

Glück un Segen, Glück un Segen
Gold'ne Hochtied, schönes Ölle!
Sünn un Regen, Sünn un Regen
För dei ... Felle.

Doch Erbarmen, doch Erbarmen!
Gaure, schöne, beste Herrn,
Ach, mi Armen, ach, mi Armen
Schaffen S' mienen Jochen werre!

Rechten, Linken, Rechten, Linken!
Möt hei nu herümmarschieren,
Speck un Schinken, Speck un Schinken
Wull'n wie giern em hen spedieren.

Wat helpt Speck, un wat helpt Schinken,
Wenn hei möt sien Leben laaten?
Wat helpt Eten, wat helpt Drinken,
Wenn mien Jochen dod wad schaaten?

Dod wad schaaten, dod wad schlagen,
Wenn hei möt sien Leben laaten,
Dorig dod in jungen Dagen,
Starben möt bi dei Soldaten,
Hochtied, Hüsung, allens laaten,
Wenn mien Jochen dod wad schaaten
In den'n Krieg un den'n Spektakel!
Dat verfluchte Russentakel!

(Zu der Wirtschafterin.)
Na, segg'n Sei mal: gefällt Sei dat?
Mi dücht, dat dat gefallen wad.

Wirtschafterin:
Ih, ja! Dat mag jo woll passieren,
Du möst man mihr mit dei Arm handtieren.
Dat is en Ding – nu ja, dat geiht
För den'n, dei't bete nich versteiht. –
Was ich mich aber ausspintisiert,
Das klingt ganz anners, klingt geliehrt.
Un mein's is hochteutsch, mußt du weißen,
Un ornlich Versmaaß, as sie's heißen;
Drüm geht's auch nach gar keiner Melodich;
'ne höllsche Arbeit, dat glaub du mich.
Hür bloß mal tau:
(Sie wendet sich an die silberne Braut.)
Geehrteste Frau N. N.,
Ich Dero dienstbare Dienerin,
Ich bün in die Verlegenheit gekommen
Un hab' mich einer schweren Sach' unternommen.
Es ist nämlich eine Gratulatschon
Von wegen der fünfundzwanzigjähr'gen Freieratschon.
Sie hätten den Stand der Ehe vollführt
Und d'rin viel Freuden und Leiden verspürt,
Wie das so ist bei allen Menschenkindern,
Bei den Gerechten, wie bei den Sündern;
Sie hätten eine ruhige Zeit verlebt
Un hätten in Frieden dahingeschwebt.
Nu sind andere Zeiten gekommen,
Un Krieg is an das Land geschwommen.
Doch behalten Sie man immer frische Kras',
Der Krieg wird abzieh'n mit langer Nas',
Der Türk und die Pest und die Hungersnot,
Die schlagen die edelen Russen tot.
Der Kusak mit die Pik', der Beschkir' mit den Bogen,
Die kämen als Vettern zu uns gezogen
Und singen, geschmückt mit die grünen Reiser:
Gott segne die Knute und Niklas, den Kaiser.
Un allens wird sich in Freuden verkehren
Un nichts als Segen erblühen auf Erden!
Und eine Bitte hab' ick noch dabei:
Machen Sie mich von das Kalberbörnen frei.
Ich tue von 's Morn's bis 's Abens nich rasten,
Doch dieses Geschäfte, das kann ich nicht lasten,
Auch ist es ganz gegen meine Konstitutschon
Un gegen meine innerste Inklinatschon.
Ich stehe der Milch und der Butter vor
Un bring' Sie meine höchlichste Achtung dor,
Doch aber von wegen dat Kalberbörnen,
Da möcht' ich mir lieber gänzlich entfernen;
Ich mache mir immer die Kleider voll,
Denn die verdammten Dinger, die sawweln zu doll.
Dann wollt' ich noch gütigst 'ne Bitte vortragen
Un bitte sie mich nich abzuschlagen.
Ich bitte als Zulag' um ein Laken Linn'n:
Man kann doch nich wissen – es kann sich doch fin'n,
Daß es möglicher Weise einst möglich möcht' sein,
Daß die Möglichkeit möglich würd', sich zu verfrei'n;
Un denn is es doch eine herrliche Tat,
Wenn man eine leinene Aussteuer hat.

Dienstmädchen (tritt weiter vor; zur Gesellschaft):
Nicht für ungut, meine Damen,
Nicht für ungut, meine Herrn,
Daß wir uns die Freiheit nahmen,
Hier zu scherzen. Taten's gern!

Nicht für ungut, daß in Zeiten,
Wie sie beut dies herbe Jahr,
Wir uns in die Freude kleiden;
D'ran is schuld dies teure Paar.

(Zu dem Paare gewendet.)
Seines Lebens schöne Lose,
Seines Lebens hohes Glück –
D'ran ist schuld die Zeit der Rose,
D'ran ist schuld der Augenblick.

Dieser Zaub'rer, der gewaltig
Herrschet über Menschenherz,
Wie ein Proteus, vielgestaltig,
Ruft die Freude, weckt den Schmerz.

Kampf tobt draußen an der Pforte,
Eisern würfelt das Geschick,
Doch an diesem frohen Orte
Herrscht ein güt'ger Augenblick.

In dem köstlichen Gewande
Jener fernen, schönen Zeit,
Als ihr schlangt die festen Bande
Für des Lebens Freud' und Leid,

In den glüh'nden Farbentönen,
Unter süßen Melodei'n
Tritt er an der Hand des Schönen
Neuverjüngt in diese Reih'n.

Hoffnung wirft er rings und Blüten,
Ein Verschwender, um sich her,
Jede Gabe will er bieten,
Und sein Füllhorn wird nicht leer.

Und ihr alle, nutzt die Gabe,
Nutzt des Herzens Stimmung heut,
Die euch beut der Götterknabe,
Und versöhnt euch mit der Zeit.

Mögt ihr rechten, Mögt ihr richten,
Was geschehen soll, geschieht;
Euer Denken, euer Dichten
Ist ein Hauch wie dieses Lied.

Wirtschafterin (zu den Eltern):
Und wenn auch fern von uns die ernste Stunde
Auf manchen Schmerz und Tod herniederblickt,
Wenn mancher auch aus stummem, bleichem Munde
Zum Himmel auf den letzten Seufzer schickt,

Wenn Kampf und Streit um Deutschlands Pforten toben,
Wir trauern still, doch uns berührt es nicht;
Um uns hat Elternlieb' ein Band gewoben
Der Freud' und Eintracht und der süßen Pflicht.

Seht! Diese Räume schließen heil'gen Frieden
Und treue Lieb' in seinen Mauern ein;
Dies ist der Ort, hier ward es uns beschieden,
Geschirmt durch euch und hochbeglückt zu sein.

Die stumme Kindheit ward hier sanft getragen
An Mutterbrust. Des Vaters fester Sinn
Hat hier mit Ernst in frohen Jugendtagen
Gewiesen auf die spätern Pflichten hin.

Ihr habt die Saat gesä't in unsre Herzen;
Wir flehen euch: oh, pflegt sie weiter fort!
Wir fühlen's wohl: mit Spielen nicht und Scherzen
Errang man je des Lebens ernsten Hort.

Nehmt diese Kränze, frisch von uns gewunden;
Eu'r Alter mög' wie sie so grünend sein!
Und zur Erinn'rung dieser heiligen Stunden
Weih't uns aufs neue zu dem Leben ein.

21. Prolog zum Polterabend

Pedro (Schloßvogt. Er hat einen Holzfuß, trägt einen dreieckigen Hut, Perücke mit Zopf, gepudert, einen breitschößigen Uniform-Schniepel mit buntem Kragen und Aufschlägen an Schoß und Ärmeln. In der Hand hat er ein großes Rohr mit blankem Knopf und herabhängenden Quasten, um den Leib einen Schleppsäbel. Er spricht zu der ganzen Gesellschaft.)

Donnerwetter! Parapluie!
Seit der großen Retirade
Sah ich solche Wirtschaft nie.
Meine Herrn, heut ist es grade,
Als wollt sich ganz ...
Und die nahgelegnen Dörfer,
Zum Exempel: ..., ...,
Vor dem Hause hier versammeln
Und die Türe uns verrammeln.
Ich kann hier nicht Steuer halten,
Glaub', ich rufe nur den Alten.

(Zu dem Hochzeitsvater.)
Hochverehrtester Herr N. N.,
Ihnen ehrfurchtsvoll zu grüßen,
Die Verwirrung wird zu groß;
Draußen ist der Deuwel los,
Stoßen, trampeln mit den Füßen,
Woll'n hinein hier in den Saal,
In dies saubre Tanzlokal.
Donnerwetter! Parapluie!
Herr, ich bitte, helfen Sie!

(Zu der ganzen Gesellschaft.)
Kommt er raus und sieht den Krempel,
Statuiert er ein Exempel,
Denn seit Anno achtundvierzig
Ist er sehr für Polizei,
Und der keckste Hofjung' wird sich
Ihm nur nahn in tiefster Scheu;
Nur den Damen schenkt er Gnade.
Bei der großen Retirade,
Wo ich um dies Bein gekommen,
Habt ihr die Geschicht vernommen?
Nicht? – Dann sollt ihr nun sie hören.
Aber nun auch still, ihr Gören!
Seht, ich werd' es nicht vergessen:
Früh hielt uns der General
Eine Rede voll Choral.
»Kinder«, sprach er, »nicht vermessen!
Hübsch das Leben konserviert!
Denn ein Feldherr ist nur Sieger,
Wenn er keinen Mann verliert.
Laßt vom Mut euch nicht verführen
Denkt bei Zeit ans Retirieren!«
Kaum daß er die Rede schloß,
Ging die Retirade los.
Laufend, schnaufend rannte ich,
Laufend mit dem einen Beine
Über Stock und über Steine,
Mit dem andern wehrt' ich mich.
Halb schon in dem offnen Tor
War ich mit dem rechten Bein,
Da schiebt man den Riegel vor,
Und so büßt ich dieses ein.
Kriegt' den Abschied drauf, Verehrte,
Ohne Bein und ohne Orden;
Schloßvogt bin ich hier geworden
Und verseh' die Hakenpferde;
Putz dem Herrn hier auch die Stiebel –
Kurz, die Stellung wär' nicht übel,
Dürft' mit Einsicht und Verstand
Ich nach eignem Willen schalten,
Ließ er mir nur freie Hand.

(Spöttisch:)
Doch da muß man immer fragen,
Was Gestrengen dazu sagen!

(Renommistisch:)
Habe nun den Dicken dick,
Will nicht länger bei ihm dienen,
Will nicht länger Diener sein.
Nein! Nein! Nein! Nein!
Suche anderswo mein Glück!
(Auf das Paar zutretend mit Verbeugung.)
Zum Exempel hier bei Ihnen.
Können Sie vielleicht mich brauchen?
Sehn Sie, ich kann Tabak rauchen
Und versteh recht hübsch zu kümmeln,
Kann en Hofjung'n 'runterlümmeln,
Daß die Engel in den Himmeln
Sich darüber baß erfreu'n,
Kann auch Ihre Stütze sein,
Wenn nicht Vater,
Doch Berater.
(Auf sein Haupt zeigend.)
Sehn Sie, diese weißen Haare
Sind für Ihre jungen Jahre
Lauter feste, unschätzbare
Bürgen froher Zukunftszeiten.
Wenn Sie mich heut engagieren,
Will ich Ihre Jugend führen
Und durchs Leben Sie geleiten.
Nun, Herrschaften, sagen Sie,
Soll ich Diener Ihnen sein?
Donnerwetter! Parapluie!
Hier die Hand! Dann schlagen S' ein!
(Nachdem das Brautpaar eingeschlagen hat.)
Und als Maître de plaisir
Werd' ich meinen Dienst beginnen.
Draußen stehn die Leut' und drängen
In das Haus und in den Saal.
Pöbel, Euer Gnaden, Pöbel!
Gebt Befehl, dann soll mein Säbel
Dieses Volk sogleich zerstreun!
Gebt Befehl, ich haue ein!
Aber ein'ge sind darunter,
Männer sind's sowohl wie Frau'n,
Deren Kopf und Kleid ist bunter
Als ein Pagelun zu schau'n.
Aus der Stadt und von dem Lande,
Sagt man, kommt die Rasselbande.
Wenn Eu'r Gnaden demnach wollen,
Daß herein sie kommen sollen,
Und wenn Herr und Madam ...,
Meine frühern Prinzipäle,
Nichts dagegen haben sollten,
Dann erwart' ich die Befehle,
Dann, Herrschaften, meinetwegen –
Ich, ich habe nichts dagegen.
Sprecht, Herrschaften, soll es sein?
(Wenn die Antwort mit »Ja« gegeben ist,
geht er an den Eingang und ruft laut.)
Na, ihr Pack, dann tretet ein!

(Der Darsteller dieser Rolle muß aber vorher dafür
sorgen, daß nun auch wirklich auf seinen Ruf gleich etwa
die Überbringerin des Kranzes bereit ist. Nach dem
Schlusse des Ganzen tritt Pedro mit dem Epilog hervor.
Wenn die letzte Darstellung vorüber ist, tritt er rasch auf
und ruft den Abgehenden nach.)

 

Dies also ist das End' vom Liede.
Genug! Genug! Die Herren werden müde,
Die Herren gähnen schon.
Die Herren wollen nichts mehr hören,
Die Herren winken, sollt euch scheren.
Wir haben übel zwar euch nichts genommen,
Zuweilen wurdet ihr jedoch zu dreist;
Und solltet ihr mal wiederkommen,
So zügelt euren Witz! – Nun reist!

(Pedro muß zuvor mit dem zuletzt Auftretenden
Rücksprache genommen haben – gleichviel ob Dame oder
Herr –, dieser bleibt stehen, und bei den Worten »nun
reist!« will er abgehen. Pedro ruft ihm jedoch nach.)

 

Halt! Halt! Herr ... hat eben mir befohlen,
En Schnaps und Butterbrod euch aus der Küch' zu holen.
Ich werde das sogleich besorgen.

(Zu dem Paare:)
Heut' Polterabend, Hochzeit morgen!
Ein Polterabend ist nicht frei
Von viel langweiliger Drähnerei;
Die Hochzeit bleibt doch stets das Best'.
So, teures Paar, du bist erlöst!
Dies ist das Ende von dem Schlusse!
(Er zieht das Paar von dem Stuhle in die Höhe.)
So, teures Paar, nun steh mal auf,
Laß deiner Sehnsucht freien Lauf,
(mit einem leisen Druck ins Genick des Paares)
Erquick' dich mal mit einem Kusse!
(Verbeugung, ab.)

22. Bei Überreichung eines Bierseidels

Hoch schäumt das Glück in deines Lebens Becher,
Du schlürfst es heut' im durstigen Genuß;
Auf deiner Lippe glüht der Kuß,
Du sitzest trunken da, ein Liebeszecher.

Schau her! – Ich will ein Bild dir zeigen:
(Er trinkt.)
Der Schaum verschwindet bald vom Liebesglück,
Der edle Trank bleibt klar zurück;
Ein rechtes Glück läßt keine trübe Neigen.

Doch spar' damit! (Trinkt.) In kleinen, kurzen Zügen (Trinkt.)
Genieß es. (Trinkt.) Nur dann bekommt's dir gut:
Den, der im Glück ist auf der Hut,
Wird nie des Lebens Ungemach besiegen.
(Trinkt.)

Und wenn des Lebens Flut beginnt zu sinken,
Nur tropfenweis die Kraft und Lust noch rinnt,
Dann mag ein sanfter Tod geschwind
Des frohen Bechers letzte Neige trinken.
(Trinkt aus. Kehrt das Seidel um.)

Wie diese Tropfen hier zur Erde fließen,
So sollen Tränen auf dich niedertau'n,
Ins brechend' Aug' die Liebe schau'n,
Ein Freund, wie ich, den Sargesdeckel schließen.
(Klappt den Deckel zu.)

23. Für zwei kleine Mädchen von sechs und acht Jahren

Die Kleinere:
Kik mal, Lowising, dat's de Brud!

Die Größere:
De süht jo grad' as Tanten N. N. ut.

Die Kleinere:
Ja, ja, dat is sei ok. – Mama, de hett mi seggt,
Uns' Tanten N. N. hett sik nu up't Frigen leggt.

Die Größere:
Denn's dat de Brüdjam, de dor bi ehr sitt.
Wat säl wi so von Firn hir stahn,
Kumm, will'n en beten neger gahn!
Will'n s' mal beseihn. – Kumm du man mit!

Die Kleinere:
Ne, Tanten N. N., wat hest du för'n Kranz
Up dinen lütten, runden Kopp!
Dat lett di doch ok heil un ganz
As mine letzte Wihnachtspopp.

Die Größere:
Un kik den Brüdjam mal, wo flir!
Sin Rock is swart, sin West is witt,
Un allens sitt so glatt un schir,
As wenn hei in 'ne Wustslus' sitt.

Die Kleinere:
Wer hett ehr denn de Kleder schenkt?

Die Größere:
Ih, N. N. – Süh, N. N., süh dat is en Mann,
De ümmer glik an so wat denkt.

Die Kleinere:
Süh so! Nu, Wising, kumm du man!
Adjüs! Ik weit nu all Bescheid
So'n Kleder will'n wi ok woll krigen.
Wenn N. N. so'ne Kleder schenken deiht,
(faßt die andere um und küßt sie)
Denn will'n wi beid' uns ok man frigen.

24. Für ein Kind, welches ein in einem Apfel verschlossenes Geschenk überreicht

Ihr großen, ihr klugen, verständigen Leute,
Ihr sitzet bedächtig und schüttelt den Kopf;
Ihr denkt an das Morgen und nicht an das Heute,
Und in eurem Nacken, da wackelt der Zopf.

Besucht euch die Freude, dann prüft ihr, dann schmeckt ihr,
Ihr faßt sie nicht jubelnd und lachend beim Schopf;
Ihr wägt in den Händen, dann riecht ihr, dann leckt ihr,
Und hinten im Nacken, da wackelt der Zopf.

Wir Kleinen, wir freilich sind gar zuviel dümmer,
Wir nehmen den Apfel, ob groß er, ob klein;
Wir freu'n uns am Gold und am rosigen Schimmer,
Wir nehmen den Apfel und beißen hinein.

Ich frage nicht, ob er vom Wurme gestochen,
Ob reif oder unreif, genug, er ist mein;
Ich habe noch nie an dem Apfel gerochen,
Man gab mir den Apfel, und ich biß hinein.

Marie, ich will heut' einen Apfel dir schenken,
Ich weiß nicht gewiß, ob er reif auch wird sein,
Doch nimm ihn, mein Herzchen, ohn' alles Bedenken,
Auf meine Verantwortung beiße hinein!

Vielleicht ist er etwas vom Wurm angestochen,
Vielleicht kann er inwendig hohl auch wohl sein,
Vielleicht ist zu zeitig vom Baum er gebrochen,
Doch lustig, Mariechen! Beiß fröhlich hinein!

Zu morgen wird euch auch ein Apfel geschenket
Von goldenem Glanz und von rosigem Schein.
Nicht wahr? Euch wird warm schon, wenn ihr daran denket;
Besinnt euch nicht lange, beißt lustig hinein!

Nicht wahr, lieb Mariechen? Du bist ganz zufrieden,
Du warst ja noch niemals ein mürrischer Tropf,
Du freust dich der Gabe, die ich dir beschieden,
Und schüttelst darob nicht den Kopf und den Zopf.

25. Ein Arbeitsmann

»Wo, Jochen«, seggt hüt Middag Min,
»Du treckst di jo woll Stäweln an?«
»Sall ik dat nich? Sall dat nich sin?«
»Ih, ja«, seggt sei, »ik mein ok man.«
»Ja«, segg ik, »Fiek, dat is mi ganz egal,
Ik will uns' Kind mi ok beseihn.«
»Sei laten di nich rinne in den Saal«,
Seggt sei, »denn rinne kümmt dor kein.«
»Ih, dat's mi denn ok ganz egal«,
Segg ik, »denn kann'k jo wedder gahn
Un kann ok an dat Finster stahn,
Seihn möt ik doch dat Kind noch mal.
Un sallst mal seihn, sei laten mi herin,
Denn wat uns' Herr is, is nich so,
Un wenn ik man manierlich bün
Un spuck nich in de Stuw herin
Un wisch de Stäweln irst mit Stroh,
Denn hewwn sei dor ok gor nicks gegen,
Denn uns' Herr hürt nich tau de Legen.«
Un, seihn S', nu bün ik also hir
Un wull mi ok velmal bedanken,
Just eben nich för dat Plesier,
Denn dat is doch nah min Gedanken
Man blot en Spaß. – Min Saak is dei:
Uns' beiden Herren, hei un sei,
Ik mein dormit de beiden Ollen,
De hewwn mi ümmer Arbeit gewen,
Dat ik min Kinner Brod künn hollen.
Un wat noch süs hürt tau dat Lewen,
Dat ded mi ok meindag' nich fehlen.
Un wenn uns' Herzog vör mi stünn
Un red't mi in't Gewissen rin
Un ded't mi up den Kopp befehlen,
Ik süll't ein seggen, wo't hir wir,
Denn stellt ik mi ihm steidel für
Un säd tau em: »Herr Herzog«, säd ik,
»Hochwohlgeborn, erlauben S' gnädig,
Wer annners seggt, der tut entfamten leigen,
Wir tun das Uns' hier richtig kreigen,
Un was uns' Herr is, is uns' Herr,
Un seggt up den wat jichtens wer,
Denn seggn S' em man von minentwegen,
Wat hei dor säd, dat wiren Lägen.
Uns' Herr is in dat ganze Land
So as en Ihrenmann bekannt,
Un so hett hei sin Kinner fött,
So hett hei s' lihrt un hett hei s' tagen,
Dat jedwerein för unsre Plagen
En warmes Hart in'n Bussen hett.«
Un denn säd woll de Herzog: »Gut!
Dies allns mich hellschen freuen tut.«
Mi freut dat ok, un dessentwegen
Heww ik mi drist un unverzagt
In dit Gewäuhl herinner wagt.

(Zur Braut.)
Un, leiwes Frölen, wenn de Segen
Von einen truen Arbeitsmann,
De mit de Hand sin Brod verdeint,
Sei up de Welt wat nütten kann,
Denn nehmen S' em, hei 's ihrlich meint.
Sei trecken bald von uns hir furt
Un trecken nah en fremden Urt,
Un all de schöne Herrlichkeit,
Wenn't Minschenhart in't Bläugen steiht,
De lacht von Ehren Angesicht
Un makt Sei Scheiden un Meiden licht;

Doch einmal kümmt 'ne anner Tid,
Denn ward de Welt uns vel tau wid,
Denn denk wi girn an't stille Flag,
Wo't Og' tauirst den Gottesdag,
Wo't in de Mutterogen seeg,
Wo Vadersog' tru up uns leeg.

Un wenn dat Lewen geiht tau Neig',
Denn denk wi an de enge Weig',
Denn flustert Saat un Blaum un Bom
In't Hart noch mal den Kinnerdrom,
Denn lacht de Kinnertid noch mal
In'n letzten Abendsünnenstrahl.
Ik wull, dat durt noch lange Tid,
Bet de di in de Ogen süht,
Doch kümmt hei mal mit stillen Gruß,
Denn denk, för dines Vaders Hus,
För di, sin Kind, in allen Dagen
Heww'n mal vel true Harten slagen.

26. Zu einer silbernen Hochzeit

Zigeunerzug

Pedro (Schloßvogt. Er hat einen Holzfuß, trägt einen
dreieckigen Hut, Perücke mit Zopf, gepudert, einen
breitschößigen Uniform-Schniepel mit buntem Kragen und
Aufschlägen an Schoß und Ärmeln. In der Hand hat er ein
großes Rohr mit blankem Knopf und herabhängenden
Quasten. Um den Leib hängt ein Schleppsäbel. Spricht zur
ganzen Gesellschaft.)

Donnerwetter! Parapluie!
Seit der großen Retirade
Sah ich solche Wirtschaft nie!
Meine Herrn, heut' ist es grade,
Als wollt' sich ganz ...
Und die nah gelegnen Dörfer ..., ...
Vor dem Hause hier versammeln
Und die Türe uns verrammeln.
N. N., unser Intendant,
Längst als fixer Kerl bekannt,
Ja, sogar auch N. N.
Könn'n dem Unfug nicht mehr steuern.
Is ist nur gut, daß unser Olle
Heut' muß seine Hochzeit feiern,
Käm' er 'raus und säh den Krempel,
Statuiert er ein Exempel,
Denn seit Anno achtundvierzig
Ist er sehr vor Polizei,
Und der keckste Hofjung' wird sich
Ihm nur nahn in tiefster Scheu;
Nur den Damen schenkt er Gnade.
Bei der großen Retirade,
Wo ich um dies Bein gekommen...
Habt Ihr die Geschicht vernommen?
Nicht? – Dann sollt ihr nun sie hören,
Aber nun auch still, ihr Gören!
Seht, ich werd es nicht vergessen:
Früh hielt uns der General
Eine Rede voll Choral.
»Kinder«, sprach er, »nicht vermessen!
Hübsch das Leben konserviert!
Denn ein Feldherr ist nur Sieger,
Wenn er keinen Mann verliert.
Laßt vom Mut euch nicht verführen,
Denkt bei Zeit ans Retirieren.«
Kaum daß er die Rede schloß,
Ging die Retirade los.
Schnaufend, laufend rannte ich,
Laufend mit dem einen Beine
Über Stock und über Steine,
Mit dem andern wehrt' ich mich.
Halb schon in dem offnen Tor
War ich mit dem rechten Bein,
Da schiebt man den Riegel vor,
Und so büßt ich dieses ein.
Kriegt' den Abschied drauf, Verehrte,
Ohne Bein und ohne Orden;
Schloßvogt bin ich hier geworden
Und verseh' die Hakenpferde,
Putz dem Herrn hier auch die Stiebel.
Kurz, die Stellung wär' nicht übel,
Und nicht schlecht bin ich gehalten,
Dürft' mit Einsicht und Verstand
Ich nach eignem Willen schalten,
Ließ man mir nur freie Hand.

(Spöttisch.)
Doch da muß man immer fragen,
Was Gestrengen dazu sagen.

(Tritt an das Jubelpaar heran. Zu dem Herrn.)
Ehrfurchtsvollen Gruß, Gestrengen!

(Zu der Frau.)
Edle Dame, sein Gemahl!
Draußen stehn die Leut' und drängen
In das Haus und in den Saal.
Pöbel, Euer Gnaden, Pöbel!
Gebt Befehl, so soll mein Säbel
Dieses Volk sogleich zerstreu'n;
Gebt Befehl, ich haue ein.
Aber, ein'ge sind darunter,
Männer sind's sowohl wie Frauen,
Deren Kopf und Kleid ist bunter
Als ein Pagelun zu schauen;
Aus Ägyptens fernem Lande,
Sagt man, stammt die Rasselbande.
Singen Romanzen,
Springen und tanzen,
Flicken Kessel,
Stehlen Gössel
Wie die Füchse.
Taugenichtse!
Legen Feuer
An die Scheuer,
Sagen wahr,
Hexen gar!

(Zu dem Herrn.)
Und besprechen, Herr, das Vieh.
Doch ein Mädchen ist darunter,
Donnerwetter! Parapluie!
Um das Mädchen ist es schade!
Seit der großen Retirade
Sah ich, Herr, ich sage Sie,
Sah ich so ein Mädchen nie!
Wenn Gestrengen demnach wollen,
Daß herein sie kommen sollen,
Dann, Herrschaften, meinetwegen,
Ich, ich habe nichts dagegen.
Sprecht, Herrschaften, soll es sein?
(Hier eine Pause, bis die Jubilare mit »Ja« antworten.
Er geht darauf zur Tür und läßt den Zug ein.)
Na, ihr Pack, dann tretet ein!

Zigeunerzug

(Voran Preziosa, einfach geschmückt, ein Tamburin in
der Hand, Schleier. Alle paarweise, der Hauptmann mit
der Zigeunermutter zuerst, alle verschieden gekleidet,
namentlich die Damen recht bunt. Die Männer mit
Klapphüten. Sie treten mit Gesang ein und ziehen im
Kreise umher bis zum Schluß der Melodie, wo sie sich
dann vor dem Paare aufstellen.)

 

Chor (nach der Melodie »Wohlauf noch
getrunken den funkelnden Wein«):

Die Jugend und Schönheit kann nimmer bestehn,
Doch innige Liebe kann nimmer vergehn;
Drum Heil diesem Hause und Heil diesem Paar!
Und Heil dieser Liebe, so treu und so wahr!

Preziosa (zu dem Paare):
Heil dem Hause! Heil dem Paare!
    Das sich heut' des Tages freut.
Rasch verflossen sind die Jahre
    Unter Freud' und unter Leid.
Kehrt die Zeit euch nicht zurück,
    Kehrt die Jugend auch nicht wieder,
Blüht sie in der Kinder Glück,
    Singt aufs neue Hoffnungslieder.

Zigeunerhauptmann (zur Gesellschaft):
Wir wandern durch Wälder bei Nacht und bei Wind,
Wir ziehen durch Länder mit Weib und mit Kind,
Wir lagern uns lustig am murmelnden Bach,
Es singt uns die Lerche im Morgentau wach.
Die Welt ist so weit, und so weit wie die Welt
Ist das Herz, dem die Freiheit vor allem gefällt.
Nur vorwärts, nur vorwärts! Nur nimmer zurück!
Es lebe die Freiheit! Die Freiheit ist Glück!

Zigeunermutter (zu dem Paare):
Doch schön ist's auch, will es mir scheinen,
Wenn einer sitzet mit den Seinen
Bei Winternacht und Sturmgebrause
Behaglich in dem eignen Hause;
Wenn man am warmen Herde hockt,
Wenn in den Tälern, auf den Bergen
Das goldne Korn den Schnitter lockt,
Wenn Schätze unsre Scheuren bergen
Und wenn der Rinder glatte Schar
Und wenn der Schafe woll'ge Herde
Sich fröhlich mehret Jahr für Jahr
Und wenn der Stall voll mut'ger Pferde,
Füchs' in dem Stall und in der Truhe,
Und allenthalben Ordnung ist und Ruhe.

Pedro:
Madam Zigeunerin,
Verschon' Sie uns mit Ihren Witzen!
Ich glaube gar, dies soll'n woll Spitzen
Auf unsern hiesigen Zustand sin?

Zigeunermutter:
Ich dachte, Herr...

Pedro:
                              Na, das wär' schön!
Da müßt' die Welt ja untergehn
Und müßt' sich aus den Fugen renken!
Kein Frauenzimmer darf hier denken,
Mir selbsten ist es nicht erlaubt;
Das Denken hört dem Oberhaupt.

Zigeunermutter:
Wenn wir nicht denken sollen, laßt uns tanzen
Und Lieder singen, laßt uns prophezeihn!

Pedro:
Parapluie und Pomeranzen!
Meinetwegen kann das sein.

Zigeunermutter:
Nun, Preziöschen, komm, mein Herz,
Sing dein Lied in Ernst und Scherz.

Hauptmann:
Ja, Preziosa, deine Lieder
Hall'n im Glück und Unglück wider.

Preziosa (zur Gesellschaft):
Glück und Unglück, Ernst und Scherz,
Habt es, mein ich, gut getroffen,
Glauben, Bangen, Fürchten, Hoffen
Ziehen wechselnd durch das Herz.
Seht ihr heute in die Ferne,
Blickt ihr auf- und niederwärts,
Allenthalben ödes Dunkel!
Doch mit hellem Lichtgefunkel
Leuchten morgen neue Sterne.
Blickt umher hier in dem Saale;
Freude sitzt beim frohen Mahle,
Und die Lust trinkt ihre Schale
Jauchzend leer.
Alter Zecher
Frohe Becher
Fordern mehr,
Gleich dem Siebe.
Junge Liebe
Sendet Blicke
Unter Scherzen,
Bauet die hochgeschwungene Brücke
Von Herzen zu Herzen.
Leichte Spiele
Im Gewühle
Froher Gäste,
Winden und binden beim Kerzenschein
Schimmernde Kränze zum fröhlichen Feste,
Wirken die sinnigen Blumen hinein.
Aber hinter jedem Becher
Steht ein Rächer;
Hinter junger Liebeshuld
Reu' und Schuld;
Hinter froher Spiele Scherz
Gram und Schmerz.
Ach, die Freude ist begraben!
Ernste Zeit heischt ernste Worte;
Krieg klopft donnernd an die Pforte.
Hört ihr draußen Rosse traben?
Hört ihr Donner von Geschützen?
Seht ihr blitzen?
Seht ihr, wie sich Wetter türmen?
Hört ihr stürmen? –
Ringsumher wird's trüb und trüber,
Hoffet nicht, es zieh' vorüber;
Mut allein kann schützen, schirmen.
Laß die Lust,
Beut die Brust
Nackt und kühn
Dem Feinde dar!
Kriegesmüh'n,
Kriegsgefahr
Reißen mächtig in das Leben,
Stählen, heben,
Was in Sumpf versunken war.
Laß den Vater, laß die Mutter!
Vaterlands Kanonenfutter
Sei ein jeder!
Laß die Feder!
Laß den Pflug!
Schreiber, Pflüger gibt's genug;
Männer braucht's,
Männern taugt's,
Gebt drum Männer in den Kauf!
Stellt ihr frisch euch in die Reih'n
Der gefallnen Brüder ein,
Stehn die Toten wieder auf!

Doch ich seh' weiter in die Ferne, weiter:
Die dunkeln Wetter sind verzogen
Der blaue Himmel lächelt heiter,
Hoch steigt des Friedens Regenbogen;
Es herrscht das Licht, gestillet ist das Sehnen,
Die junge Welt, sie lächelt unter Tränen.
Frei, wie der Bogen in die Luft sich schwingt,
Wird sich das Vaterland gestalten,
Eins wie das Licht, das aus dem Himmel dringt,
Mögt ihr's in tausend Farben spalten.
Und deckt den blüh'nden Sohn dann auch der Sand,
Stolz, Vater, sprich: »Er starb fürs Vaterland.«

Herrscht der Wechsel in dem Großen,
Herrscht er auch im Einzelleben.

(Auf das Paar zeigend
und an dasselbe herantretend.)
Wollten diese Antwort geben,
Würd't ihr hören, was ich sage.

(Zu den beiden.)
Ungetrübte heit're Tage,
Ländlich einfach, schicksalstille,
Wohlfahrt, Reichtum, jede Fülle,
Und den blüh'nden Kindersegen
Und der Zukunft Hoffnungswonne
Fandet ihr auf euren Wegen.
Doch nicht immer schien die Sonne.
Harte Schläge des Geschickes
Trafen auch auf euer Haupt
In dem Vollgenuß des Glückes,
Und ein Schatz ward euch geraubt,
Nimmer, nimmer kehrt er wieder!
Jugendantlitz, Jugendlieder,
Junger Mut und junger Sinn
Sind für alle Zeit dahin.
Doch ein Trost ist im Verlust,
Der erfüllt die alte Brust
Mit der Jugend Schimmer wieder.
Horcht dem Troste meiner Lieder!
(Nach der Melodie des »roten Sarafan«.)

Zeiten sind vergangen
    Unter Schmerz und Glück,
Und das Rot der Wangen
    Kehret nie zurück.
Mußt' die Jugend von euch scheiden,
    Kehrt das Alter ein,
Wird der schönste Trost euch beiden
    Treue Liebe sein.

Sie wird euch geleiten
    An des Alters Stab;
Liebe dauert Zeiten,
    Dauert übers Grab.
Wenn das junge Haar sich bleichte
    Zu dem Silberschein,
Den Verjüngungsbecher reichte
    Dann die Lieb' allein.

Und so wandelt heiter
    Immer berghinab,
Immer, immer weiter
    Bis ans kühle Grab.
Und dann drückt euch still die Hände,
    Muß geschieden sein,
In dem Herzen bis ans Ende
    Treue Lieb' allein

Pedro (vortretend):
Aber nun genug vom Singen,
Macht uns traurig bloß;
Und ich denk', nun geht das Springen
Und das Tanzen los.

Zigeunerhauptmann:
Ja, ihr Kinder, stellt euch ein!
Fix herbei und schlingt den Reihn!

Zigeunermutter:
Und hübsch auswärts setzt die Beine!
Und ich sag euch's, komm' mir keine
Mit den mod'schen Eisenreifen,
Die sie Krinoline nennen.

(Zu der Gesellschaft.)
Weiß nicht, wie sie in den steifen
Tonnenbügeln tanzen können.

(Ein Tanz, etwa eine Quadrille. Als derselbe beendet ist,
schießt Pedro auf das eine Paar los und faßt Tänzer und
Tänzerin beim Ohrzipfel und führt sie in den
Vordergrund.)

 

Pedro:
Halt, Kanaille! Seh' mal einer!
Spielen diese auch Zigeuner!

(Zum Jubilar:)
Bei der großen Retirade,
Wo ich Bein verlor und Waden;
Dies ist unser Hofjung', Gnaden!
Und dies ist das Stubenmädchen –
Donnerwetter, Parapluie!
Uns're Dörte, wissen Sie.

(Zu dem Tänzer.)
Hab' ich es doch nicht gewußt,
Wo der Strick geblieben wär'!
Junge, sprich, wo kommst du her?

Tänzer (weinerlich):
Oh, ik hadd so'n groten Lust,
Hir en beten tautaukiken,
Un ik lep von't Klutenkloppen,
Mi hir mit herin tau sliken.
Auh! So lat Hei doch Sin Zoppen!

Pedro (zu der Tänzerin):
Und du, Wildfang?

Tänzerin (keck):
                              Ack, ik bün
Ok man so mit rin geraden.

(Zu dem Paare.)
Wull mi man in Ehren Sinn
So recht freuen, Ihro Gnaden,
Wenn Sei fründlich von Gesicht
Un von Harten fröhlich wiren.
(Zu Pedro, schelmisch:)
Un vör all'n wull'k de Geschicht
Von de Retirad' mal hüren.

Pedro:
Sieh! Ein recht verständig Kind!
Na, ich werde nicht verfehlen,
Wenn sie fortgegangen sind,
Sie dir gründlich zu erzählen,
Wie es ist und wie es war.

(Zu Preziosa.)
Schatz, nun sage mir mal wahr!

Zigeunermutter (sich vordrängend):
Halt! Bei Euch bin ich am Platze.
Zeigt mir mal die liebe Tatze!
(Sie schaut in seine Hand.)
Herr, Ihr lebet lang' auf Erden;
Werdet aber älter werden,
Werdet immer lahmer gehn,
Mit dem Bein, da wird es schlimmer,
Und der Rücken wird Euch krümmer,
Und Ihr werdet immer, immer...
(Pantomine vor der Stirn.)
Na, Ihr werdet mich verstehn!

Pedro (ihr die Hand fortreißend):
Halt Sie 's Maul mit dem Gekrächze!
Das weiß ich selber, olle Hexe!

Preziosa (zu der Jubelbraut,
nach bekannter Melodie):
Den lieben, langen Tag
Hast du nur Sorg' und Plag',
Der Olle tut dich immer plagen.
Wenn ihn die Laune sticht
Und er den Kriwwel kriegt
Und kriegt's im Magen,
Mußt du's ertragen.

Doch trag es mit Geduld,
Es ist nicht seine Schuld,
Ihn reitet dann der Hypochonder.
Und schlägt kein Mittel an,
Wirst du den lieben Mann
Doch heilen müssen,
Vielleicht mit Küssen.

Zigeunermutter (zum Jubilar):
Mein Herr, ich soll euch Wahrheit künden
Aus Eurer Hand, ich brauch' sie nicht;
Die laut're Wahrheit läßt sich finden
In Eurem weisen Angesicht.
Diese ausdrucksvollen Züge,
Dieses Aug', wie ein Flambeau,
Künden Eures Geistes Siege,
Seid ein zweiter Salomo.
Keine Hofdirn remonstrieret,
Und kein Hofjung' rebellieret,
Selbst kein Drescher widerspricht,
Wenn Euer Mund ein Machtwort spricht,
Denn Ihr seid klug und weise,
Und Euch betrügt man nicht.
(Preziosa stellt sich hin, als wolle sie noch weiter singen.)

Pedro (faßt sie am Arm):
Nun halt mir ein mit deinem Liede!
Du bist zwar 'ne ganz nüdliche Person,
Doch nun mach fort! Gestrengen werden müde,
Gestrengen jähnen schon,
Gestrengen winken, sollt euch scheren.
Wir haben übel zwar euch nichts genommen;
Zuweilen wurdet ihr jedoch zu dreist,
Und solltet ihr 'mal wieder kommen,
So zügelt euren Witz. Nun reist!
(Zigeuner ordnen sich zum Zuge.)

Pedro:
Nun geht! Gestrengen haben eben mir befohlen,
En Schnaps und Butterbrod euch aus der Küch' zu holen,
Und dann ist es mir aufgetragen,
Ich sollt' euch gnädigst wissen lassen,
Es würd' dem hohen Herrn hier passen,
Wenn ihr so in den nächsten Tagen
Wollt't mal submissest vor hier wieder fragen –
Das heißt: nach fünfundzwanzig Jahren.
(Zigeuner mit dem Eintrittsgesang ab.
Pedro hinkt hinterher.)




Quelle: Projekt Gutenberg - 14